Predigt vom 1. Advent

Predigt-Icon5Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

„Macht hoch die Tür“, so haben wir am Anfang des Gottesdienstes gesungen. „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch“, so beten es die Psalmen. Und Jesus, für den das gilt, kommt und zieht ein. Jesus kommt und zieht in diese Welt ein: bei seiner Geburt, auf die wir uns vorbereiten. Jesus kommt und zieht in Jerusalem ein, so schildert es das Evangelium des heutigen Sonntags, das wir eben gehört haben: Auf einem Esel kommt er geritten und er wird trotzdem wie ein König empfangen.

Jesus kommt und will schließlich auch bei uns einziehen: Er klopft an unsere Türen. Am Anfang des Gottesdienstes haben wir es mit den Kindern dargestellt: Wir, die Gemeinde, sind, so schriebt es der Apostel Paulus, der Leib Christi und jede und jeder von uns ist ein Teil an diesem Leib. So ist Christus auch durch und mit uns in unsere Kirche eingezogen. So soll und will er auch in unsere Herzen einziehen: „Ach zieh mit deiner Gnade ein“.

Aber: Wer ist das eigentlich, der da einziehen soll und einzieht? Wir nennen ihn den „Herrn der Herrlichkeit“, die „rechte Freudensonn“ – aber: Wer oder was ist er? Eine Antwort darauf will uns der erste Teil des heutigen Predigttextes geben. Da lesen wir im 10. Kapitel des Hebräerbriefes:
So, liebe Brüder und Schwestern, können wir jetzt durch das Blut, das Jesus Christus am Kreuz für uns vergossen hat, frei und ungehindert in Gottes Heiligtum eintreten. Christus hat sein Leben geopfert und damit den Vorhang niedergerissen, der uns von Gott trennte. So hat er uns einen neuen Weg gebahnt, der zum Leben führt. Er ist unser Hoherpriester und herrscht nun über das Haus Gottes, seine Gemeinde.

Fremd klingt uns das in den Ohren: Jesus ein Hoherpriester, der sein Blut opfert, damit wir durch einen Vorhang gehen können – einen Vorhang, der uns von Gott trennt? Und doch beschreiben diese Verse in bildhafter Sprache das, was Jesus getan hat. Der Schreiber des Briefes nimmt uns ganz hinein in die Welt des Jerusalemer Tempels, des Hauses Gottes: Ganz im Innern gab es das Allerheiligste, wo Gott nach dem damaligen Glauben in besonderer Weise da sein und wohnen sollte. Dieses Allerheiligste war durch einen Vorhang verschlossen und nur der Hohepriester durfte diesen Raum einmal im Jahr betreten. Nach diesem Bild war der Weg zu Gott also versperrt: denn niemand war so rein und heilig, dass er vor Gott hätte bestehen können.

Und Jesus öffnet dieses den Menschen verschlossene Allerheiligste: Der Vorhang zerreißt bei seinem Tod am Kreuz, so berichtet es uns das Markusevangelium; nach dem Johannesevangelium sagt Jesus von sich: „Ich bin die Tür“. Jesus schafft uns den direkten, den lebendigen Weg zu Gott. Kein Schlagbaum verwehrt mehr den Zugang und keine Schranke kann uns aufhalten.

Jesus bahnt uns den Weg, er geht vor uns her und er geht – das ist wohl noch wichtiger – ihn auch mit uns mit. Nichts, was wir an uns kennen, ist ihm fremd, denn er wurde uns, seinen Geschwistern, gleich. Eben auch, weil er schwach war und versucht worden ist, weil er einsam und verlassen war. Aber in dieser Verlassenheit hat er sein Vertrauen in Gott nicht aufgegeben. Er ist der Anfänger und Vollender des Glaubens, wie es der Hebräerbrief an anderer Stelle sagt. Aber eben nicht unendlich weit weg, sondern unendlich nahe, mit uns auf dem Weg.

Das ist es, was wir haben, was uns schon geschenkt ist, weil Gott schon in Jesus gehandelt hat. Bei allem, was wir auch als Kirche sonst noch „haben“: Gemeinden und Kirchengebäude, Gottesdienste und Konfirmandenunterricht, Kreise, die sich treffen, Finanzen, die knapp sind; Gesangbücher und Frömmigkeitsstile. Wir haben vieles, so sehr vieles, obwohl wir all zu oft meinen, es wäre so wenig und wir müssten nur den Mangel verwalten, weil manches im kirchlichen Leben kleiner wird. Aber das Entscheidende, den Kern haben wir: Zugang zu Gott, den wir freimütig nutzen können, dürfen und sollen. Das ist es, was wir haben, weil Gott es uns schenkt.

Und aus dem, was wir da haben, erwächst, was jetzt für die Gegenwart dran ist. Dies ist der zweite Teil des Predigttextes. Vielleicht fallen Ihnen drei bekannte Stichworte auf, die diesen Textabschnitt prägen. Da heißt es: So lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser. Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat; und lasst uns aufeinander Acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken und nicht verlassen unsre Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, sondern einander ermahnen.

Drei Worte prägen diesen Abschnitt. Der Apostel Paulus hat diese drei Worte in einem Satz zusammengefasst. Er schreibt im 1. Korintherbrief: „So bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Diese drei Worte sollen auch nach dem Schreiber des Hebräerbriefes das Leben der Christen bestimmen.

So lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben. – Dieses wahrhaftige Herz und diesen vollkommenen Glauben haben wir aber nicht, weil wir so toll sind und aus eigener Kraft rein und heilig werden könnten. Vielmehr ist alles, was uns von Gott trennt, durch unsere Taufe abgewaschen: gewaschen mit reinem Wasser und besprengt im Herzen – äußerlich und innerlich sind wir von Gott berührt. So können wir vor ihn treten. Glaube ist keine Leistung, die wir vollbringen müssten, Glauben ist einfach das Hinzutreten zu Gott.

Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung. Es ist die zweite Aufforderung. Wir leben in einer Zeit, in der sich für viele Menschen alles um das dreht, was ein Mensch jetzt hat und ist: das Auto, das Haus, die Juwelen und der gutgeformte Körper. Andere kreisen nur um die Vergangenheit, weil sie in der Gegenwart nichts und niemanden mehr haben. In einer solchen Zeit ist es etwas Besonderes, an einer Hoffnung festzuhalten. Denn die richtet uns aus auf die Zukunft. Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung, heißt: Lasst uns festhalten am Bekenntnis zur Zukunft Gottes. Wiederum: Nicht weil wir sie vollbringen könnten, sondern: weil Gott uns eine Zukunft verheißen hat und er treu ist.

Lasst uns aufeinander Acht haben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken. Die dritte Aufforderung. Reize werden überall verteilt: Optische zum Sehen und akustische zum Hören. Besonders zum Kaufen sollen heutzutage Anreize geschaffen werden. Nicht selten sollen Reize aber auch zur Liebe an- oder vor allem aufreizen. Nur ist diese Liebe dann eine andere als die, an die der Schreiber des Hebräerbriefes denkt. Denn Liebe im christlichen Sinn ist geprägt vom Achthaben aufeinander und von guten Werken, ja sogar vom gegenseitigen Ermahnen. Dabei geht es nicht darum, dem anderen nur auf die Finger oder den Mund zu sehen, ob der mal wieder etwas Falsches gesagt oder etwas Unmoralisches getan hat. Wir alle sitzen da im Glashaus und sollten nicht mit Steinen werfen. Und ‚Acht haben aufeinander‘ hat immer auch etwas mit ‚Achtung voreinander haben‘ zu tun. Aber um der gemeinsamen Hoffnung und des gemeinsamen Weges willen müssen wir uns umeinander helfend kümmern. Da ist es nötig und gut, es zu wagen, dem anderen in Liebe die Wahrheit zu sagen und sie vom anderen in gleicher Liebe anzuhören und anzunehmen.

Wie sehr Jesus auf uns alle acht hat, wie nah er uns allen ist, können wir immer wieder neu im Abendmahl erfahren. Da stehen wir um den Altar, den Tisch des Jesu versammelt, teilen Brot und Wein und hören die Worte, die so ähnlich schon zu Beginn des Predigttextes da waren: Das ist mein Leib – das ist mein Blut, vergossen für euch. So öffnet uns Jesus den Vorhang, der uns vorher von Gott getrennt hat, so sind wir miteinander verbunden auf dem Weg: mit Jesus und untereinander.

Schließlich wendet der Schreiber des Hebräerbriefes unseren Blick in die Zukunft: „Und dieses lasst uns um so mehr tun, als ihr seht, dass sich der Tag naht.“ Natürlich warten viele auf den Heiligen Abend. Dieser Tag ist inzwischen nahe und es lohnt sich bestimmt, auch auf diesen Tag hin zu leben. Aber das ist es nicht nur, was hier gemeint ist. Denn wir erinnern uns nicht an Jesu Geburt, weil sie gewesen ist, sondern die Geburt Jesu will uns daran erinnern, dass Jesus und mit ihm Gott wiederkommt. Fast schon ein Jahr lang erinnert uns die Jahreslosung, die ja auch aus dem Hebräerbrief kommt, dass wir hier keine bleibende Stadt haben, sondern die Zukünftige suchen. Wann das sein wird, weiß zwar niemand, aber es ist gut, immer mit ihrem Kommen zu rechnen. Nur mit dieser Zukunft Gottes sind Glaube, Hoffnung und Liebe etwas wert. Nur so wird Advent – schon hier und jetzt in dieser Zeit. Darum: Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe. Ja, siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer! Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, eu‘r Herz zum Tempel zubereit‘.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, stärke und bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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