Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis

Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.
Liebe Gemeinde!

Es sind eine der berühmten Fragen in einem Steckbrief, den man ausfüllen soll, um sich in einer Gruppe vorzustellen: „Was würdest du tun, was würdest du verändern, wenn Du für eine Woche Bürgermeister in unsere Stadt wärest?“ Oder Vorsitzender in deinem Sportverein oder Ministpräsident oder Bundeskanzler oder – im Konfirmandenunterricht immer wieder sehr beliebt: Jesus oder Gott? „Was würdest du tun in dieser einen Woche?“

Das eine oder andere fiele uns ja bestimmt ein, was wir neu oder anders und in jedem Fall besser machen würden: Mehr Raum fürs Fahrradfahren, mehr für den Umweltschutz, mehr für die Wirtschaft, weniger Krieg, weniger Gründe, dass Menschen aus ihrer Heimat flüchten müssen; dass alle Kinder gleiche Chancen im Leben haben; dass niemand vor allem auch am Ende des Lebens einsam sein muss. Und bei manchen dieser Punkte hätten wir vielleicht sogar den einen oder anderen konkreten Gedanken, wie wir das auch umsetzen könnten.

„Was würdest du tun in dieser einen Woche?“ Ein schönes Spiel, um zu sehen, wie die einzelnen Teilnehmer in der Gruppe so ticken. Und dann haben wir unsere kleinen Gedanken in der netten Runde vorgetragen und wollen uns entspannt zurücklehnen, um den anderen Teilnehmenden zuzuhören – was die sich so vorstellen können. Aber bei den nächsten Worten des Gruppenleiters haut es uns dann vom Stuhl: „Super! Ab jetzt bist du Bürgermeisterin!“ Oder eben Vereinsvorsitzender oder Ministerpräsident, Bundeskanzlerin. „Und das“, so hörst Du es wie durch einen Nebel, „nicht nur für eine Woche, sondern für die nächste Wahlperiode oder noch besser für den Rest deines Lebens!“

Die Reaktion bei uns allen wäre wohl die, die ich gerne die „Jeremia-Reaktion“ nennen möchte. Mit schreckgeweiteten Augen würden wir den Gruppenleiter anstarren und rufen: „Das ist doch ein Witz! Ich kann das gar nicht, ich doch viel zu jung!“ Oder zu alt, zu klein oder zu groß, zu neu oder zu dumm oder zu irgendetwas!

Es wäre eine „Jeremia-Reaktion“, denn genau so hat Jeremia damals auch reagiert, als er von Gott seine Berufung zum Propheten bekam; dann aber lässt Jeremia alles Weitere mit sich geschehen, auch wenn er in diesem Moment der Berufung kein wirkliches „Ja, ich will!“, sagt. Aber das haben auch andere nicht getan, an die ich denken muss, wenn ich mir die Geschichte Gottes mit seinem Volk so vor Augen halte. Viele wurden berufen und haben das getan, was ihnen Gott aufgetragen hat; die meisten haben es einfach getan und damit ihre Zustimmung gegeben.

Ich denke an Mose, der Gott so gut entgegengehalten hat: „Ich kann doch gar nicht reden!“ Und der von Gott seinen Bruder Aaron als Sprachrohr an die Seite gestellt bekam. Ich denke an Jona, der Reißaus nahm, um dem Auftrag Gottes zu entfliehen, und dann doch nach Ninive ging. Ich denke an Maria, die von Gabriel den Auftrag zur Geburt Jesu bekam, keinen Mann dafür vorweisen konnte und trotzdem durch Gottes Geist Mutter Jesu wurde. Ich denke an Petrus, der bei seiner Berufung zu Jesus sagte: „Geh weg von mir, Herr, ich bin ein sündiger Mensch.“ Ihm hat Jesus dann gesagt: „Von nun an wirst du Menschen fischen!“

Ich denke an den Kriegsheimkehrer und Pfarrer Helmut Gollwitzer und seine Erinnerungen an Krieg und sowjetische Kriegsgefangenschaft, die er in seinem so wichtigen Buch „Und führen, wohin du nicht willst“ nieder geschrieben hat. Dort in den sowjetischen Lagern und auf dem Weg hat er manches Schöne und viel Schreckliches erlebt. Und auch später hat er sich immer wieder den Herausforderungen gestellt, vor die er sich als Christ gestellt sah. Ich denke an Dietrich Bonhoeffer, der seinen Weg in den Widerstand gegen Hitler ganz bewusst als Christ ging.

Mir kommen zwei Menschen aus meiner Lebenszeit in den Sinn, die sich in ihrem Handeln zwar nicht direkt auf Gott oder Jesus Christus berufen haben, die sich aber auch vor übergroße Aufgaben gestellt sahen: In jüngster Vergangenheit ist das Gret Thunberg mit ihrem Engagement für den Erhalt unserer Lebenswelt auf dem Planeten Erde. Und vor fast genau vierzig Jahren, am 14. August 1980 begann in der Danziger Leninwerft der Streik, der den Anfang vom Ende des damaligen Ostblocks bedeutete. Und an der Spitze dieses Streiks stand der Elektriker Lech Walesa, der sich schon vorher für Arbeiterrechte engagiert hatte und dafür im Gefängnis gewesen war. In manchen Zügen sind diese beiden „Jeremia-Figuren“, wenn man auf die Repressalien bei Lech Walesa und den Spott und die Häme bei Greta Thunberg sieht.

„Und führen, wohin du nicht willst“ – Der Buchtitel von Helmut Gollwitzer könnte auch der Titel des Jeremiabuches sein, denn was in den vielen Jahren seines Wirkens geschehen ist, das hat Jeremia ganz bestimmt nicht erleben wollen. Und geahnt hat er es in dem Moment seiner Berufung ganz bestimmt, sonst wäre die Ermutigung Gottes „Fürchte dich nicht vor den Menschen, denn ich bin bei dir und will dich erretten.“, nicht nötig gewesen. Was kommen würde, stand Jeremia wohl nur zu genau vor Augen.

Aber ein zu junges Alter wie bei ihm oder eine mangelhafte Rhetorik wie bei Mose sind für Gott noch nie ein Hinderungsgrund gewesen, um jemanden für ein besonderes Amt, ein Prophetenamt zu berufen.

Jeremia hat seine „Jeremia-Reaktion“ überwunden und die Berufung dann angenommen. Warum? Es wäre doch so verständlich gewesen, bei dieser Lebensperspektive Gott einen Korb zu geben. Jeremia hat die Herausforderung trotzdem angenommen. Aus zwei Gründen: Gott war mit seiner Zusage, dass er Jeremia unterstützen und schützen würde, im direkten Gespräch wohl sehr überzeugend. Und Jeremia hat in seinem Wirken immer wieder erfahren, dass die Macht über Völker und Königreiche, die Gott ihm bei seiner Berufung verliehen hat, zwar keine aktive politische Macht war; aber Gottes Wort durch Jeremia hat immer wieder beides bewirkt: Zerstören und Verderben einerseits und Bauen und Pflanzen andererseits.

Der zweite Grund war aus meiner Sicht, dass Jeremia mit seinem Prophetenamt das verwirklicht hat, was Gott ihm schon buchstäblich in die Wiege gelegt hatte. Sein Amt als Prophet, sein Beruf war Berufung, wie wir das ja gerne auch sagen. Es war einfach in ihm drin, es war die Gabe Gottes ganz speziell an ihn. Jeremia hätte wohl nie anders gekonnt.
Der nächste Schritt ist, glaube ich, ganz folgerichtig eine Frage: Was ist Gottes Gabe an uns? An jede und jeden von uns hier im Gottesdienst, in der Gemeinde? Und was ist Gottes Gabe dann auch an uns als Kirche insgesamt? Und was ist – aus den Gabe Gottes folgend – unsere Aufgabe, die Gott für uns hat?

Auch für uns alle gilt: Gott hat seine ganz besondere Lebens-Absicht mit jeder und jedem von uns. Er hat sie und weiß sie schon, bevor wir unseren Weg in diesem Leben gestalten. Auf seine Weise hat es der von mir so verehrte Sytze de Vries in seinem Lied in Worte gefasst, die wir am Anfang gehört haben: „Tief im Schoß meiner Mutter gewoben“. Dass unser Lebensweg oft genug wie bei Jeremia auch von Finsternissen bedroht ist, wissen wir: „Der du wirkst, dass die Kleinen dir singen: Gib mir, Gott, lebenslang deines Namens Gesang, um die drohende Nacht zu bezwingen.“

Und: Gott stattet uns für das, was er mit uns vor hat, mit Gaben aus, die uns helfen, unseren Auftrag auszuführen. Musikalität, Redegewandtheit, handwerkliches Geschick, Zuhören können, Gruppen leiten können, kochen oder backen können, Menschen begleiten; aber auch politisch aktiv werden und eintreten für den Erhalt der Schöpfung, für soziale Gerechtigkeit und Frieden. Alles gehört zu den vielen möglichen Bereichen, in denen deine und meine Aufgabe liegen können, die Gott für uns hat.

Bei Jeremia war es die Gabe der prophetischen Rede, mit der Gott ihn begabt hatte. „Ich lege meine Worte in deinen Mund.“, sagt Gott. „Deine Worte in meinem Mund“, wird Jeremia gedacht haben. Und ich frage mich, wie das wohl schmeckt – Worte Gottes im Mund zu haben. Aber das ist dann eine andere Predigt.

„Was würdest du tun in dieser einen Woche?“ Wir müssen zum Glück nicht von jetzt auf gleich in Porta Westfalica Bürgermeister werden – dafür gibt es genügend Kandidatinnen und Kandidaten; ebenso für das Amt des Bundeskanzlers und viele andere herausragende, wichtige und anspruchsvolle Aufgaben.

Aber wir sollen, müssen und wir dürfen immer wieder damit rechnen, dass Gott uns für diese oder jene Aufgabe anspricht, die wir für ihn erledigen sollen – zum Wohl der Menschen und zum Segen für seine Kirche. So schwierig wie für Jeremia wird es wohl nicht werden. Ich glaube: Wir brauchen keine „Jeremia-Reaktion“ mit einem „Aber ich bin doch viel zu dieses oder jenes!“

Wir kennen die Geschichte von Jeremia und wie Jeremia dürfen wir deshalb darauf vertrauen, dass Gott auch bei seinen Aufträgen für uns sagt: „Ich traue dir das zu, du schaffst das, denn ich bin mit dir, ich habe dir alle Gaben, alle Talente gegeben, die du dafür brauchst. Sie liegen schon seit deiner Geburt in dir bereit. Gehe du in Freiheit den Weg, den ich für dich bestimmt habe. Ich bin mit dir!“ Amen.

Predigt von Exaudi 2020

Der Predigttext Jeremia 31,31-34 wurde als Schriftlesung vorgetragen; der Wochenpsalm (Psalm 27,1.7-14) wurde von der Gemeinde in der Eingangsliturgie gesprochen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

„Exaudi, Domine“. Es ist ein Ruf, der nichts an Dringlichkeit vermissen lässt: „Gott, du musst mir zuhören! Ich brauche dich und du hast doch gesagt, dass ich das tun soll; dass wir das tun sollen. So hast du es uns doch geboten. Ist jetzt davon nichts mehr übrig – von deinem Versprechen?“ So geht der Beter des Wochenpsalms Gott an. Genauer gesagt: Sein Herz tut dies. Das sind seine Worte. „Mein Herz hält dir vor …“ Das Herz – der Ort der Seele, der Ort der Liebe, der Ort der Beziehung. Auch in diesem Fall geht es „Herz über Kopf“, wie es der Vlothoer Sänger Joris so schön singt. „Herz über Kopf“ und damit Herz über Verstand, denn die Beziehung zu Gott ist – wie jede Beziehungssache – eine Sache des Herzens und nicht des Kopfes und damit des Verstandes.

Ich in mir sicher: Der Verstand kann sich wahrscheinlich das meiste von dem, was im Leben geschieht, erklären: Warum ich mich über etwas Schönes im Leben freue; warum ich über einen Verlust traurig bin; warum es bei dem Unglück so kommen musste; warum es keine andere Lösung gab. Diese Erklärungen sind bestimmt sehr einleuchtend und sehr schlüssig.

Aber alles Erklären der Welt hilft nicht, wenn das Herz verunsichert ist oder bleibt. Das Herz baucht etwas anderes als eine rationale Begründung für dieses oder jenes, um zur Ruhe zu kommen, um ausgeglichen zu sein, wie wir heute so schön sagen. Das Herz sucht das andere Herz, das mit empfindet, das mit leidet, das sich mit freut. Wir alle wissen doch, wie wichtig es ist, wenn die Mutter oder der Vater das Kind in den Arm nimmt und ihm das Herz öffnet. Da geht es ja auch nicht um Erklärungen, sondern um die Nähe des Herzens.

Und nachdem der Psalmbeter seinem Gott den ganzen Kladderadatsch von Verunsicherung und Angst in seinem Leben vor die Füße gekippt hat, darf er plötzlich diese Ruhe des Herzens spüren, die ihm eine neue Sicht auf das Leben und eine neue Perspektive für das Leben eröffnet: „Ich glaube aber doch dass ich sehen werde die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen!“

Manchmal ist in dem Ich des Psalmbeters kein einzelner Mensch zu sehen, sondern eine Gruppe von Menschen. Das kann ich mir auch in Psalm 27 gut vorstellen: Da steht das Ich des Psalmbeters auch für das ganze Volk Gottes, das sich von seinen Feinden auf’s Äußerste bedrängt fühlt, das sich sogar von Vater und Mutter oder von allen guten Geistern verlassen fühlt.

Und der Schrei „Sei mir gnädig und antworte mir!“ – er wird erhört. So jedenfalls lesen sich die Worte Gottes, die Jeremia dem Volk Gottes ausrichten darf. Es sind Trostworte, die für die Menschen eine Zukunft eröffnen. Natürlich oder leider – je nach dem – beginnt diese neue Zukunft aber nicht sofort. Es braucht noch etwas Geduld. Aber sie steht immerhin unmittelbar bevor, man kann sie schon sehen: „Siehe, es kommt die Zeit!“

Das stelle ich mir auch für die Jünger vor, nachdem Jesus in den Himmel aufgenommen und nicht mehr da und das Pfingstfest mit dem versprochenen Heiligen Geist noch nicht da war. So frohgestimmt die kleine Gruppe der Jesusleute sicherlich in der nachösterlichen Zeit mit Jesus gewesen war, so schwierig dürfte diese Zwischenzeit ohne ihn gewesen sein. Wie wichtig ist es da, gesagt zu bekommen: „Siehe, es kommt die Zeit! Mache nur die Augen auf. Harre auf Gott, hab also vertrauensvolle Geduld!“

Das stelle ich mir auch für uns heute vor. Zum einen sehe ich, dass wir die erste kritische Zeit mit der Corona-Pandemie hinter uns haben. Von der alten Normalität vorher sind wir weit entfernt und ich möchte diese alte Normalität bestimmt nicht hundertprozentig wieder haben. Denn jetzt ist an vielen Stellen in unserem Leben die Möglichkeit da, neue Wege zu beschreiten. Aber eine neue Normalität für unsere Gesellschaft ist bisher höchstens in Ansätzen erkennbar: Wenn finanzielle Staatshilfen nicht für ein „Zurück zum Bisherigen“ verwendet werden, sondern vor allem dazu helfen, die anderen Probleme dieser Welt: Klima, Umwelt und Hunger, die es neben Corona ja auch noch und nicht weniger drängend gibt, anzugehen. „Siehe, es kommt die Zeit! Mache nur die Augen auf. Harre auf Gott, hab also vertrauensvolle Geduld!“

Zum anderen sehe ich eine stetige Veränderung in der Kirche in Deutschland. Viele bisher gültige Konzepte, mit denen auch ich noch großgeworden bin und die die Kirche seit vielen Jahrzehnten geprägt haben, verlieren ihre gestalterische Kraft, mit der die Bindung an die Kirche und den Glauben geschaffen und sichergestellt wurde: Gruppenstunden und kirchliches Vereinswesen sind schon seit längerer Zeit in der Krise. Vielen sagt das nichts mehr und sie gehen, treten aus.

Manches entwickelt sich neu – die Video-Gottesdienste während der letzten Wochen sind ein Teil dieser Entwicklung. Aber wo es genau mit der Kirche hingeht – auch hier ist eine neue Normalität bisher höchstens in Ansätzen erkennbar. Wenn für die Kirche als wanderndes Gottesvolk so etwas wie „Normalität“ überhaupt sinnvoll und wünschenswert ist. Auch hier gilt: „Siehe, es kommt die Zeit! Mache nur die Augen auf. Harre auf Gott, hab also vertrauensvolle Geduld!“

Gott verheißt seinem Volk also einen neuen Bund. Und ihm sind zwei Momente daran wichtig: Zum einen erinnert Gott an den alten Bund, der auf den Auszug Israels aus Ägypten zurückgeht; aber so soll dieser neue Bund nicht sein. Es soll nicht das Eine mit einem gleichen nur unter anderem Namen ersetzt werden. Es ist aber wichtig, an das Alte zu erinnern – nicht als Schuldzuweisung, denn Gott legt sein Volk nicht auf das Gewesene fest und öffnet so neue Wege. Aber: Nur, wenn ich weiß, woher ich komme, und einsehe, was falsch gelaufen ist, und wenn ich daraus lerne, kann das Neue gelingen. Ganz aktuell gilt das auch für unseren Weg nach dem Kriegsende seit 75 Jahren: Nur verantwortliches Erinnern ermöglich eine gute Zukunft.

Zum anderen – und da schließt sich der Kreis des heutigen Sonntags – ist dieser neue Bund mit seinem Volk für Gott eine absolute Herzenssache: Sein Gesetz will Gott seinen Menschen ins Herz geben und in ihren Sinn schreiben. Bei dem Wort „Gesetz“ zucken vor allem evangelische Christen gerne wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Dieses scheinbar so garstige Wort. „Es geht doch um Gnade!“ So höre ich manche rufen.

Ja, es geht um Gnade, es geht um die Liebe, mit der Gott unsere Herzen sucht. Aber Gottes Liebe ist nicht formlos und unverbindlich, sie ist nicht nur süß und flauschig. Gottes Liebe ist in seine Wegweisungen gefasst, wie er sie seinem Volk und durch Jesus Christus auch uns gegeben hat: also gestaltet und verbindlich, herzhaft und griffig – ohne sich in Paragrafen und Gesetzlichkeit zu verlieren. Es ist eben eine Herzenssache.

Und für diese Herzenssache braucht es auch von unserer Seite offene Herzen, die sich mit Gottes Wegweisung füllen lassen wollen. Sein Geist soll in uns atmen; sein Geist soll unser Herz und uns ganz erfüllen, in uns wirken. Das entscheidende an diesem Wirken des Geistes wird etwas wunderbar Befreiendes sein: In der Einheit des Gottesvolkes wird niemand einem anderen mehr den Glauben absprechen. Kein Katholik einem Reformierten, kein Lutheraner einem Pfingstler, kein Evangelikaler einem Liberalen; und jeweils umgekehrt. Niemand wird mehr sagen: „Erkenne den Herrn – aber nur auf die Weise, wie ich ihn erkannt habe.“ Nein, so nicht mehr. So vielfältig der Geist Gottes wirkt und so vielfältig seine Gaben sind, so wird auch der Glauben der Menschen sein, die zu diesem Volk Gottes gehören. Für die Richtigkeit dieses Glauben ist Gottes Geist der Garant, nicht ein anderer Mensch.

Das bedeutet Glauben in dieser Zwischenzeit: „Siehe, es kommt die Zeit! Mache die Augen auf. Harre auf Gott, hab also vertrauensvolle Geduld!“ Amen.

Gottesdienst am 28. Februar 2016

Am kommenden Sonntag ist der dritte Sonntag der Passionszeit, der den lateinischen Namen Okuli trägt – wiederum nach einem Psalmvers benannt, dieses Mal nach Psalm 25,15, aus dem die altkirchliche Antiphon für den Introitus-Gesang (Eingangsgesang) am 3. Sonntag in der Fastenzeit besteht: oculi mei semper ad dominum – meine Augen sehen stets auf den Herrn. Thematisch geht es um „Nachfolge“ und wie schwer sie manchmal durchzuhalten ist. Drei Worte Jesu zu diesem Thema stehen als Evangeliumstext im Mittelpunkt: Lukas 9,57-62. Der Predigttext nach der 1. Reihe der Perikopenrevision ist ein Abschnitt aus dem Alten/Ersten Testament, in dem Jeremia über die „Last des Prophetenamtes“ mit Gott im Gespräch ist: Jeremia 20,7-11a(11b-13).

Herzliche Einladung zum Gottesdienst:

  • in der Holtruper Kirche
  • um 10.00 Uhr
  • anschließend: Kirchenkaffee

Kirche_mit_KindernNach dem gemeinsamen Beginn
in der Kirche ist im Gemeindehaus
Kindergottesdienst.

Predigt am 18. Januar

Predigt-Icon5Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen. Liebe Schwestern und Brüder in Christus! Der Wein bei der Hochzeit zu Kana – plötzlich war keiner mehr da. Nicht auszudenken, welche Katastrophe für die ganze Feier, welche Blamage für den Bräutigam. Was sollte werden ohne Wein? Feiern nur mit Wasser? Das geht nicht. Denn der Wein steht in der Bibel in ganz besonderer Weise für alles, was Lebenslust, Freude und Feiern heißt. Der Wein ist das Zeichen der Freude. Wenn kein Wein mehr, dann auch keine Feier. Die Hochzeitsgäste wären verschwunden und das Brautpaar hätte diese Schlappe wohl nicht so schnell überwunden. Da hääte man noch Jahrzehnte drüber gesprochen: „Weißt du noch damals …!“ So hätten dann also die Hochzeitsgäste um ein Haar auf dem Trockenen gesessen. Und damit wäre es mit der Hochzeit – mit der hohen und festlichen Zeit vorbei gewesen. Mindestens Alltag, wenn nicht Schlimmeres. Doch zum Glück hatten sie Jesus in ihrer Mitte und der hat dem Brautpaar und der ganzen Gesellschaft aus der Patsche geholfen. Wie so oft können wir uns auch in unserem Leben solche Momente vorstellen: plötzlich auf dem Trockenen zu sitzen und in der harten Realität angekommen zu sein, wo eben noch alles so fröhlich schön und festlich erschien. Dann, wenn in unserem Leben, das eigentlich so ganz in Ordnung zu sein scheint, plötzlich irgendetwas passiert, das diese Ordnung und die Stimmung ins Negative kippen lässt. So wie jetzt, als auch bei uns von Weihnachten und Silvester her alles noch so nett war. Manche haben es bei MT-Online vielleicht schon gesehen, morgen wird es in der Zeitung zu lesen sein: Ich denke an die Übergriffe auf das Asylbewerberheim vorletzte Nacht in Vennebeck: wenn Menschen, die bei uns Schutz suchen, noch viel mehr in Angst und Schrecken versetzt werden, weil irgendwelche Leute ihre Unterkunft mit Paintball-Waffen attackieren und rechte Parolen grölen. Es ist nicht schön- oder klein zu reden: Da wird Leben bedroht, da entsteht eine lebensbedrohliche Dürre aus Unmenschlichkeit, wenn so etwas passiert. Eine solche Dürre des Lebens – sie ist mehr als nur eine Sand-oder Steinwüste oder wie immer wir uns die Sahara oder die Wüste Gobi oder eine andere Wüste vorstellen. Denn es handelt sich hier um eine Wüste und Dürre der Zerstörung durch Menschen. Immer wieder sehen wir solche Bilder – vor allem in den Nachrichten im Fernsehen: zerstörte Städte und bedrohte Menschen: in Syrien und im Irak, aber auch in Nigeria, im Kongo, der Ukraine und in Palästina. Und aus unserer eigenen Geschichte in deutschland kennen wir diese Bilder auch. Erich Kästner beschreibt in einem seiner Bücher seine Heimatstadt Dresden nach der Zerstörung: „Ja, Dresden war eine wunderbare Stadt. Ihr könnt es mir glauben. Und ihr müsst es mir glauben! Keiner von euch, und wenn sein Vater noch so reich wäre, kann mit der Eisenbahn hinfahren, um nachzusehen, ob ich rechthabe. Denn die Stadt Dresden gibt es nicht mehr. Sie ist, bis auf einige Reste, vom Erdboden verschwunden. Der Zweite Weltkrieg hat sie, in einer einzigen Nacht und mit einer einzigen Handbewegung, weggewischt. Jahrhunderte hatten ihre unvergleichliche Schönheit geschaffen. Ein paar Stunden genügten, um sie vom Erdboden fortzuhexen. Das geschah am 13. Februar 1945. Achthundert Flugzeuge warfen Spreng- und Brandbomben. Und was übrigblieb, war eine Wüste. Mit ein paar riesigen Trümmern, die aussahen wie gekenterte Ozeandampfer. Ich habe, zwei Jahre später, mitten in dieser endlosen Wüste gestanden und wusste nicht, wo ich war. Zwischen zerbrochenen, verstaubten Ziegelsteinen lag ein Straßenschild. ‚Prager Straße’ entzifferte ich mühsam. Ich stand auf der Prager Straße? Auf der prächtigen Straße meiner Kindheit? Auf der Straße mit den schönsten Schaufenstern? Auf der herrlichsten Straße der Weihnachtszeit? Ich stand in einer kilometerlangen, kilometerbreiten Leere. In einer Ziegelsteppe. Im Garnichts.“ So weit die Beschreibung von Erich Kästner. (Gefunden bei Heike Springhart, Predigt zum 2. Sonntag nach Epiphanias unter: http://www.stichwortp.de/index.php?state=stichworte&action=predigten&predigt=24) Dürre der Zerstörung. Auch in der Bibel gibt es solche Beschreibungen. So auch beim Propheten Jeremia. Ein Abschnitt aus dem 14. Kapitel dieses Prophetenbuches ist uns für heute als Predigttext aufgegeben. Jeremia gibt zunächst Worte Gottes wieder, mit denen die Situation des Volkes in Juda und Jerusalem bei einer großen Dürre beschrieben wird: Jeremia 14,2-9 Liebe Gemeinde! Das Wasser ist ausgeblieben und damit sind die Lebensmöglichkeiten versiegt. Und irgendwie haben die Menschen das Gefühl, dass es nicht reiner Zufall ist, was ihnen da passiert ist. Sie sehen auf ihr Leben und stellen fest: Wir haben uns diese Dürre selbst zuzuschreiben. Denn unser Handeln richtet sich gegen Gott. Und weil Gott und das Leben eins sind, führt so ein Leben im Ungehorsam gegen Gott auch dazu, dass das Leben selbst zerstört wird. Vor einer Gefahr möchte ich warnen: Wenn manche Menschen Zeiten der Dürre erleben, fangen sie an, in ihrer Vergangenheit nach Fehlern und nach Schuld zu suchen. Aber nicht jede Dürre ist durch eigene Schuld bedingt. Wie oft bricht einfach das Chaos über Menschen herein und zerstört blindwütig und ohne Sinn die Grundlagen des Lebens? Da hat niemand Schuld. Da kann man keine Kette von Gründen finden, die sagt: Zuerst war dieses, deshalb kam das Nächste und deshalb kam die Katastrophe. Es gilt, sehr vorsichtig mit solchen Rückschlüssen zu sein. „Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen!“ In den Worten des Volkes schwingt eine ganz besondere Erkenntnis mit: Dieser Gott nimmt Menschen an und wieder auf, die einsehen, dass sie auf dem berühmten Holzweg waren. Hier geht es um Menschen, die Gott aus der Einsicht heraus anrufen, dass sie an diesem Gott und damit an dem Leben schuldig geworden zu sein und sich so die eigene Not geschaffen zu haben: Jeremia erinnert Gott an dessen Namen und er bedrängt Gott, dass der die Wahrheit dieses Namens doch erweisen soll – um die Not zu wenden und dass damit das Leben neu beginnen kann. Der Name Gottes: Ich bin der „Ich bin da!“ – So heißt Gott. So hatte er sich dem Mose am brennenden Dornbusch vorgestellt. Das erbitten die Menschen von ihm: diesen Namen wahr zu machen: „Ich bin da!“ Ja, die Menschen zu Zeit des Jeremia wissen, an wen sie sich zu wenden haben; sie wissen: dieser Gott ist der Trost Israels und sein Nothelfer, sein Helfer in der Not. Sie wenden sich an diesen Gott, auch wenn sie ihn gerade jetzt nicht verstehen, weil alles an ihm so unpersönlich und unbeteiligt wirkt: Gott als Fremdling im Land, als Wanderer, der gerade mal übernachtet und am nächsten Morgen schon wieder weg ist. Dem stellen sie ihre Überzeugung entgegen: „Du bist ja doch unter uns. Und wir heißen nach deinem Namen!“ Und wie die Menschen zur Zeit Jeremias Gottes Gegenwart eingefordert haben, so zieht sich dieser Ruf durch die Geschichte des Glaubens hindurch: In der Komplet, dem uralten Nachtgebet der Kirche, das bis heute gebetet wird, ist dieser Vers die einzige, ganz kurze Lesung. Denn die Nacht ist in vielen Vorstellungen die Zeit der täglichen Dürre: Am Tag das Leben, in der Nacht die Gefährdung desselben. Und die Menschen erinnern Gott daran, dass Gott eine Verantwortung für sie hat. Denn sie gehören ihm, sind sein Eigentum, denn Name und Person sind in den Vorstellungen der Alten Welt ein und dasselbe. Bei der Hochzeit zu Kana wird diese Gegenwart Gottes sichtbar. Maria hat es erkannt: Gott ist mitten unter uns, denn Jesus ist da. Das alte Gebet: Du bist ja doch unter uns. Und wir heißen nach deinem Namen!“ wird in ihm greifbar und Gott bekommt so ein Gesicht. In Jesus macht Gott klar: Er selbst, Gott, wird ganz Mensch – er bleibt kein Fremdling in unserem Leben; Christus bleibt bei uns alle Tage bis an das Ende der Welt – nicht nur über Nacht; auch wenn er im Garten Gethsemane um einen anderen Weg bittet – geht er unverzagt seinen Weg weiter; und auch wenn er stirbt, ist er der Held, der den Tod, der die tödliche Dürre überwindet. Als Christen tragen wir durch unsere Taufe den Namen Jesu. Wir gehören ihm mit allem, was wir sind und haben. „Du bist doch unter uns.“ – Auch für uns heute wollen wir das gerne glauben und hoffen, darauf vertrauen: dass Jesus Christus mitten unter uns ist, so wie er bei der Hochzeit zu Kana mitten unter den Gästen war und dann das Fest des Lebens gerettet hat. Was dort in Kana passiert ist, ist ja ganz einfach zustande gekommen: Maria, die Mutter Jesu hatte gesagt: „Was er euch sagt, das tut!“ So wussten die Bediensteten, was zu tun war, um das Fest zu retten. Auch wir heute können die Worte Marias auf uns beziehen und ihre Aufforderung hören: Damit das Fest des Lebens weiter geht: Hört auf das Wort Jesu, er ist doch da, ist mitten unter uns. Und seine Worte an uns sind klar und deutlich, auch wenn es heute bestimmt nicht um Wein geht. Jesus sagt: „Was ihr einem von diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.“ Und es sind durchaus Menschen da, die zu diesen Geringsten gehören. Die Menschen im Asylbewerberheim in der alten Grundschule in Vennebeck gehören bestimmt mit dazu. Ich habe mich sehr gefreut über die Initiativen um Weihnachten herum, die von mehreren in Vennebeck gestartet wurden, um diesen Menschen etwas Gutes zu tun. Es sollte nicht dabei bleiben. Wir sind alle aufgefordert, auch für sie einzustehen gegen Menschen, die bei uns und an anderen Orten eine große Dürre der Unmenschlichkeit entstehen lassen wollen. Jesus hat die Menschen bei der Hochzeit zu Kana davor bewahrt, auf dem Trockenen zu sitzen. Jesus ist der Meister der Freude, er ist mitten unter uns, und er sagt uns, was wir zu tun haben, damit wir das Fest des Lebens mit ihm feiern können; auch dann, wenn die Umstände des Lebens manchmal eher schwierig und problematisch sind, auch trotz aller Dürre in unserem Leben. In ihm ist Freude, auch in allem Leide. Amen.

Gottesdienst am 18. Januar

Auch am 2. Sonntag nach Epiphanias bedenken wir, wer Jesus Christus ist. An diesem Sonntag kommt er als der Meister der Freude in den Blick: Jesus rettet die Hochzeit in Kana, indem er dafür sorgt, dass der Plaungsfehler bei der Weinbeschaffung durch noch besseren Wein ausgeglichen wird (Johannes 2,1-11). So sitzt die Hochzeitsgesellschaft doch nicht auf dem Trockenen.

Der Predigttext aus dem Propheten Jeremia, der in der neu bearbeiteten Predigt-Reihe II zur Erprobung vorgesehen ist, stellt der Fülle des Hochzeitsfestes eine große Dürre gegenüber, in der alles zu vertrocknen scheint. Jeremia spricht für das Volk ein Bittgebet, um Gott an seine Verantwortung für das Land und sein Volk zu erinnern (Jeremia 14,2-9). Und doch weiß Jeremia: „Du bist doch mitten unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen!“ Wie viele Dürrezeiten erleben wir, sodass wir auf dem Trockenen sitzen? Wie oft erfahren auch wir dann Gottes Nähe!

Also:

Herzliche Einladung zum Gottesdienst:

  • am 18. Januar
  • in der Holtruper Kirche
  • um 10.00 Uhr

Kirche_mit_KindernAm Sonntag gibt es wie immer Kindergottesdienst
(nach gemeinsamem Anfang im Gemeindehaus).