Predigt am Ostersonntag

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja!

Ja, liebe Gemeinde am Ostermorgen! Der Osterruf geht auch in diesem Jahr um die Welt, doch in diesem Jahr ist alles anders als sonst: Keine Feier der Osternacht, in der der Übergang von der Nacht des Todes zum Tag des Lebens begangen wird, und keine weiteren Gemeindegottesdienste; kein Besuch bei der Familie; keine Reise in die Ferne, kein Urlaub in der Nähe an Nord- oder Ostsee oder in den Bergen. Aber auch keine Einnahmen für viele Menschen, besonders hart für die, die in dieser Zeit einen ganz wichtigen Teil ihres Jahresumsatzes machen. Dafür aber hohe Anspannung und ganz hoher Einsatz bei den Menschen, die sich in den Krankenhäusern um Erkrankte und in Wohnheimen um ältere und pflegebedürftige Menschen kümmern.

Alles ist anders in diesem Jahr. Vielleicht ist es deshalb in diesem Jahr ein wenig besser nachzuempfinden: Was in den Menschen um Jesus vor sich gegangen ist. Für die war ja auch von jetzt auf gleich alles anders geworden: Nachdem Jesus am Donnerstag verhaftet und am Freitag am Kreuz hingerichtet worden war.

Der Evangelist Johannes berichtet von den Jüngern, wie sie in einem Haus saßen – die Türen fest verschlossen aus Furcht, dass es sie auch noch erwischen könnte.
Und auch wir sitzen zuhause – die meisten von uns jedenfalls: freiwillig oder erzwungene Quarantäne und Kontaktverbot – das ist zwar von den Behörden verordnet, letztlich aber doch aus Furcht, aus Furcht vor diesem Virus Covid 19, der das Leben bedroht.

Der Evangelist Markus berichtet von den Frauen, die sich ganz früh am Morgen aufmachen, um dem toten Jesus einen letzten Liebesdienst zu erweisen und seinen Leichnam zu salben. Die Frauen stehen plötzlich vor einem vorher nicht bedachten – aber im wahrsten Sinn schwergewichtigen – Problem: „Wer wälzt uns den Stein von dem Grabeingang weg?“ Dieser Stein versperrt den Zugang: zum Ziel ihrer Sehnsucht, zu dem Ziel ihrer Liebe: Hinter diesem Stein ist der tote Jesus zu finden.

Für die Frauen ist Jesus das Ziel ihrer Liebe. Was ist das Ziel unserer Liebe? Und was verstellt uns – auch unabhängig von der jetzigen Krise – den Weg zu diesem Ziel? In unserer ganz aktuellen Gegenwart mit den coronabedingten Kontaktverboten sind das vor allem bestimmte Menschen, nach denen wir uns sehnen; Menschen, die wir vermissen: Unsere Eltern oder Kinder; die Großeltern oder die Enkelkinder; oder andere Verwandte und Freunde, zu denen wir ein ganz enges Verhältnis haben, die uns jetzt fehlen. Wie selbstverständlich wir diese Menschen sonst um uns haben – das ist uns mit bedrückender Deutlichkeit klar geworden. Sich nicht real begegnen zu können, das ist jetzt der große Stein, den wir nicht weggewälzt bekommen.

Es gibt für uns aber auch noch vieles andere, was wir als Ziel unserer Sehnsucht und Liebe benennen können und was jetzt oder grundsätzlich durch einen großen Stein unerreichbar ist: Orte, die uns ganz viel bedeuten; Projekte, in die wir so viel Herzblut gesteckt haben; und für viele auch der gemeinsam gefeierte Gottesdienst, der uns mit Gott und untereinander als Kirche Jesu Christi verbindet; der uns durch Lieder, durch Predigt und Abendmahl Kraft, Trost und Zuversicht für unsere Leben gibt. So sind auch wir auf dem Weg zum Ort unserer Liebe und Sehnsucht und so fragen auch wir uns wie die Frauen damals: „Wer wälzt uns diesen Stein weg, damit wir zum Ziel unserer Sehnsucht kommen, zu unserem Liebsten?“

Dann erleben die Frauen ihre erste große Überraschung: Der Stein versperrt ihnen nicht mehr den Weg. Ganz unerwartet hat sich dieses so große Hindernis für diese drei damals als irrelevant erwiesen. Es wäre für uns heute aber viel zu kurz gegriffen, wenn wir einfach darauf hoffen wollten, dass sich der Corona-Stein einfach so in Luft auflösen würde. Ostern heißt ja nicht: Der Stein ist weg. Ostern ist das Geschehen, das den Frauen von den beiden Jünglingen berichtet wird: Jesus ist vom Tod auferweckt, er ist auferstanden und an diesem Ort gar nicht mehr zu finden. Die Frauen machen diese wunderbare und zugleich verstörende Erfahrung, dass sie an der falschen Stelle gesucht haben: Der Lebende ist nicht bei den Toten.

Auch wir wollen wohl – wie die Frauen am Ostermorgen – immer an den Ort zurück, wo wir das, was wir lieben, zurückgelassen haben. Aber Zeit vergeht; vieles geschieht und verändert sich. Unser Liebstes ist nicht mehr da zu suchen, wo wir es zurückgelassen haben.
Und: Die Frauen bekommen den Auferstandenen gar nicht zu Gesicht. Sie bekommen „nur“ die Verheißung, „dass“ sie Jesus als Lebendigen sehen werden. Die beiden Jünglinge weisen die drei Frauen nach „Galiläa“ – dahin, wo sie zuhause sind. Aber eben nicht als Rückschritt in die Vergangenheit, sondern als Schritt in die Zukunft; als Weg, auf dem Jesus ihnen vorangeht.

Und so bedeutet auch für uns die Botschaft von der Auferstehung Jesu eine Wegweisung in die Zukunft: Er, der Auferstandene ist bei uns und geht diesen Weg in unsere Zukunft mit, wie er es den Seinen später zugesagt hat: Siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende. Diese Botschaft eröffnet uns einen Lebensweg, der uns immer wieder neu aufstehen und auferstehen lässt.

Und unser je eigenes „Liebstes“, das wir suchen? Auch damit sollen wir nicht im Vergangenen hängen bleiben. Das Ostergeschehen macht Mut, unseren Weg in die Zukunft zu gehen und dort unser Liebstes zu finden: das, wonach sich unsere Seele sehnt – vertraut und doch neu, denn dann werden wir andere Menschen sein. Ostern heißt auch: Das Liebste nicht am Ort der Vergangenheit und des Todes suchen, sondern auf dem Weg sein, um es am neuen Ort zu finden. Denn mit der Auferstehung Jesu ist uns dieser Weg in die Zukunft eröffnet. Amen.

Gehalten beim Viedeogottesdienst des Ev. Kirchenkreises Vlotho am 12. April 2020 in der Kirche in Vlotho-Valdorf. Zum Video: hier.

Derbysieg: Das Leben gewinnt gegen den Tod

Predigt-Icon5P:    Der Herr ist auferstanden!   G:    Er ist wahrhaftig auferstanden.
Deshalb: Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus! Liebe Gemeinde am Ostermontag!

Zu Beginn des Gottesdienstes haben wir Ida getauft – heutzutage in der evangelischen Kirche wird das eher unspektakulär vollzogen, es sei denn, der Täufling schreit wie am Spieß, dann zerrt das an den Nerven der übrigen Gottesdienstbesucher. Dabei ist das, was bei der Taufe eigentlich passiert, so dramatisch wie kaum ein anderes Geschehen. Es geht um nichts weniger als um Sterben und Auferstehen. Sterben natürlich nicht in echt, nicht leibhaftig; aber eben in geistlich-zeichenhafter Form.

Bei den Taufen, die im Neuen Testament geschildert werden, war es ebenso selbstverständlich wie bei den Kindertaufen bis in die Zeit der Reformation hinein: der Täufling wurde komplett untergetaucht. Das Wasser schloss sich über ihm – und so wurde deutlich gemacht: der Täufling stirbt mit Christus und wird mit Christus begraben. Und dann wurde der Täufling wieder aus dem Wasser herausgehoben: der Täufling wird dem Leben wiedergegeben, er hat eben auch Anteil an der Auferstehung Jesu Christi; und zwar nicht nur später einmal nach diesem irdischen Leben, sondern schon jetzt in diesem Leben.

Das macht die Taufe zu einem so entscheidend wichtigen Geschehen: Es verändert die Wirklichkeit eines Menschen. Auch wenn wir unser ganzes Leben Menschen dieser Welt bleiben, mit Ecken und Kanten, oft genug auch mit Problemen und Macken, so sind wir durch die Taufe immer auch schon Menschen, die aus dieser ganz anderen, dieser himmlischen Wirklichkeit her leben. Von dort, aus dieser himmlischen Welt bekommen wir unsere Kraft, unser Leben zu gestalten: das Schwierige zu bestehen, das Schöne und Fröhliche dankbar zu genießen. So ist die Taufe das Sinnbild für das Pascha-Mysterium, das Ostergeschehen insgesamt: mit dem Untertauchen erlebt der Täufling Karfreitag; indem er aus der Taufe gehoben wird, erlebt er die Auferstehung.

Für uns ist diese existenzielle Dimension der Taufe heute kaum noch nachzuvollziehen, denn die Menge des Wassers, mit dem ein Täufling heute bei uns übergossen wird, macht die Todessituation für den Täufling nicht mehr deutlich – auch wenn der hiesige Pastor ja dafür bekannt sein soll, dass die Umgebung des Taufbeckens hinterher trocken gewischt werden muss.

Auf eine ganz andere Weise wird uns die Bedeutung und der Zusammenhang von Taufe und Auferstehung durch den Apostel Paulus noch einmal in einem ganz anderen Bild nahe gebracht. Es ist ein ganz alltägliches Bild, das Paulus benutzt, um zu beschreiben, was bei der Taufe passiert: Paulus stellt uns das Anziehen eines Kleidungsstückes vor Augen.

So alltäglich dieses Bild ist, so hat es doch eine ganz besondere Aussagekraft. Die lässt sich am einfachsten mit unserem schönen, so bekannten Sprichwort „Kleider machen Leute!“ beschrieben. Ich weiß nicht, wer es schon einmal bei sich oder bei anderen beobachtet hat: Männer in einem Jogging- oder Hausanzug stehen anders da und verhalten sich anders als Männer, die einen Anzug tragen; Frauen in einem langen Abendkleid oder in einem engen Cocktailkleid stehen anders da und verhalten sich anders, als wenn sie Jeans und T-Shirt tragen. Und auch für mich als Pastor macht es einen großen Unterschied, ob ich einfach so hier stehen würde oder ob ich Talar oder Albe trage. Wie man sich kleidet, so verhält man sich auch. Und eben dies hat Paulus vor Augen, wenn er die Taufe in seinen Briefen so beschreibt:

Im Brief an die Galater (3,27): Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Und im Brief an die Epheser (4,23): Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Und im Brief an die Kolosser (3,12): Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.

Getauft werden – das heißt für Paulus: Jesus und damit Jesu Wesen wie ein Kleidungsstück anziehen und sich dadurch das eigene Leben und Handeln von Jesus bestimmen und gestalten lassen. Das Taufkleid, das den Täuflingen angezogen wurde und manchmal noch angezogen wird, ist das sichtbare Zeichen für diese Verwandlung eines Menschen, die sich mit der Taufe vollzieht.

Das Bild vom Anziehen eines neuen Kleidungsstückes und einer Verwandlung, die geschieht, ist für Paulus aber auch eine Möglichkeit, sehr grundsätzlich von der Auferstehung der Toten zu sprechen; also von dem, was sich mit Worten direkt gar nicht beschreiben lässt, weil weder Paulus noch irgendein anderer es selber schon erlebt hätte. Aber Paulus hat doch seine Vorstellungen, die er für die Gemeinde in Korinth in Worte und eben dieses Bild fasst.
In Korinth hatte es große Verunsicherungen gegeben, weil andere erzählt hatten, es gäbe gar keine Auferstehung der Toten: weder bei Christus noch für die Christen. Und so muss Paulus in einem ganzen faszinierenden Kapitel seines Briefes den Korinthern klar machen, dass die Auferstehung kein Hirngespinst ist – weder die von Jesus noch die der Christen. Die Situation damals war wohl unserer Situation heute nicht unähnlich.

Den Abschluss seiner Argumentation haben wir als Schriftlesung gehört. Paulus setzt zu einem furiosen österlichen Schlussspurt an: Wie geht das denn, wenn Lebende und schon Gestorbene in Gottes himmlischem Reich zusammenkommen sollen? Auch hier wählt Paulus das Bild vom Anziehen eines besonderen Gewandes. Wie das aussieht, sagt er nicht, er sagt auch nicht, wie es geschieht. Er weiß nur: Das bisher Vergängliche wird durch diese neue Bekleidung mit Unvergänglichkeit überkleidet, das bisher Sterbliche wird in Unsterbliches verwandelt und hat so Zugang zu Gottes himmlischem Reich. Wann das sein wird? Auch Paulus weiß es nicht.

Nur eines ist für Paulus unbestreitbar: Auch wenn der Tod als das Ende dieses menschlich-irdischen Lebens noch zu seiner Zeit und bis heute Wirklichkeit ist: Seit dem Ostersieg Jesu hat der Tod nicht mehr das letzte Wort. Seit dem Ostersieg Jesu ist eben nicht das unendliche Todesdunkel des Grabes die Fortsetzung des menschlichen Lebens, sondern die Oster-Wirklichkeit des göttlichen Lebens.

„Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ – Die überschwägliche, ja geradezu schadenfrohe Freude, mit der Paulus hier den Tod direkt anspricht, spiegelt das sichere Wissen des österlichen Sieges. Ich kenne nur eine Situation, die sich mit der Stimmung vergleichen lässt, in der Paulus jetzt ist. Diese Situation ist der Derbysieg im Fußball oder im Handball: Möllbergen gegen HSG, GWD gegen Nettelstedt, Dortmund gegen Schalke oder jeweils umgekehrt. „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ Derbysieg des Lebens über den Tod.

So sind die Auferstehung von den Toten und die Taufe gewissermaßen nur die beiden Seiten ein und derselben Medaille. So ist Taufe die österliche Gewissheit, dass wir mit dieser Welt Gottes schon jetzt verbunden sind und aus ihr leben. Amen.