"Durch die Kraft der Speise" – Predigt über den Weg des Elia zum Horeb (1. Könige 19 in Auszügen)
Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus! Liebe Sportsfreunde!
„… Und Elia ging durch die Kraft der Speise 40 Tage und Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.“ – Eine reife Leistung – aber manche werden sich gewundert haben, mit welchem Abschnitt der Bibel ich heute Morgen das spannende Verhältnis von Glauben und Sport verdeutlichen möchte. Das, was Elia da passiert ist, das hat etwas mit Sport zu tun? – Ja, es hat, auch wenn es das Gehen als Disziplin in der Leitathletik damals noch nicht gegeben hat.
Denn mir kommt es heute nicht auf das an, was sich hinterher als Ergebnis in einer Tabelle festhalten lässt: wer ersten geworden ist und wer letzter und dass ganz oft der zweite Platz schon nichts mehr zählt. Es kommt mir heute auf das an, was hinter dem Ganzen steht, auf die Frage, die sich Paul am Anfang des Gottesdienstes gestellt hat: „Woher bekomme ich die Kraft für mein Leben und damit auch die Kraft für den Sport?“ – Ausdauer und Kraft, Training, das sich überwinden, das zu tun, worauf ich gerade doch keine Lust habe – das sind Worte, die im Sport und im Sportverein ebenso zu finden sind wie in der Kirche und beim Glauben. Denn ohne Training gibt es keine Ausdauer und keine Kraft und damit auch keinen sportlichen Erfolg; und das ist auch beim Training des Glaubens wichtig: das Einüben des Lebensgespräches mit Gott im Gebet und im Gottesdienst, die Gemeinschaft in der Gemeinde wie die Mannschaft im Verein. Denn man kann das Beten zwar auch in der Not lernen – Not lehrt beten, so heißt es im Volksmund – die Schmerzen aber, die dieses Lernen dann mit sich bringt, sind nicht besonders schön.
Andererseits gibt es nicht nur im Sport das Bemühen, der Kraft und der Ausdauer nicht nur ‚ein wenig‘ sondern ganz kräftig und auch unerlaubt nachzuhelfen. Auch im Bereich der Religion kommt so etwas vor, wenn geistliche Erfahrungen nicht als Geschenk empfangen werden, sondern mit Aufputschmitteln oder ähnlichem herbeigezwungen werden.
„Woher bekomme ich die Kraft für meine Leben und damit auch die Kraft für den Sport?“ Die große Show macht es eben nicht: weder im Sport noch im Glauben: Zuerst ist der Jubel zwar groß, aber tragfähig, auch durch den Alttag hindurch sind solche Knalleffekte nicht. Die größten Trainer- und Spielernamen, die mit riesigem Pressetamtam der Öffentlichkeit vorgestellt und hochgejubelt werden, bringen nichts, wenn nicht im Trainingsalltag vernünftige Arbeit gemacht wird.
Elia hatte diesen fulminanten Wettstreit mit den Baals-Priestern und den Anhängern der anderen Götter auf dem Berg Karmel geführt. Wessen Opfer zuerst in Flammen aufgehen würde – ohne menschliche Einwirkung – der hätte den stärkeren, den unbesiegbareren Gott. Baal hatte gar nicht geantwortet, so sehr seine Priester sich bemüht hatten; auf Elias Opfer war ein Blitz niedergegangen und hatte das Opfer in Brand gesteckt. Und auf dieses Bestätigung hin hatte Elia dann alle Baals-Priester umgebracht.
Aber auch dieses grandiose Zeichen, mit dem Elia die Israeliten neu zum Glauben hatte führen wollen, dieses Zeichen hatte nicht geholfen, der erste Platz auf der Abschlusstabelle im Wettstreit der Gottesvertreter blieb ihm verwehrt: denn auch nach dem sogenannten ‚Gottesurteil am Karmel‘ beteten viele Menschen nicht nur und ausschließlich zu Elias Gott, sondern auch sicherheitshalber zu Baal und den anderen Göttern. Wenn man so will, war das Gottesurteil am Karmel ein klassischer Fall von Doping gewesen: kurzfristiger Erfolg ohne nachhaltige Substanz und Überzeugungskraft. Warum das so kommen musste, das hat Elia dann nach seiner Flucht zum Horeb gelernt: Gott ist nicht in den Naturgewalten zu finden, so beeindruckend diese auch sein mögen: weder im Erdbeben, noch im Donner oder im Sturmwind.
„Woher bekomme ich die Kraft für meine Leben und damit auch die Kraft für den Sport?“ Diese Frage hat mich bewegt, als wir den letzen Blocktag im Konfirmandenunterricht vorbereitet und durchgeführt haben. Da ging es um das Abendmahl. In diesem besonderen Moment des Gottesdienstes kommt Gott den Menschen auf ganz besondere Weise ganz besonders nahe. Das Abendmahl ist auch mit dem vergleichbar, was dem Propheten Elia geschehen ist, der von Gott Kraft und Ausdauer geschenkt bekam, ohne etwas dafür zu tun: während er schlief, bekam er seine Stärkung gebracht. Und dann, dann ging „… Elia durch die Kraft der Speise 40 Tage und Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.“
Wir schlafen zwar nicht unter einem Ginsterbusch oder unter einem Wacholderstrauch, wie es bei Luther heißt. Aber im Abendmahl bekommen auch wir – wie Elia – etwas zu essen und zu trinken; sogar mehr als Elia: nicht nur Brot und Wasser, sondern Brot und Wein, beziehungsweise Traubensaft – Gottes Nähe in Wort und fühlbaren Zeichen. Das Abendmahl gibt Kraft und Stärkung auf unserem Weg als Christen durch unser Leben – auf einem Weg, der immer wieder auch Abschnitte hat, die Wüste sind. Das Abendmahl ist für mich wie für viele andere Menschen der Ort, der Moment, wo zu spüren ist, wie einen neue Kraft erfüllt. Gott gibt uns die Kraft zum Leben.
Woher bekommen Menschen ihre Kraft zum Leben, zum Durchhalten? Ein weiteres, ein Drittes ist mir an dieser Geschichte wichtig, gerade auch mit Blick auf das Jubiläum, das der Sportverein in diesem Jahr feiern kann: Wenn Elia 40 Tage und Nächte durch die Wüste geht, ist das nicht einfach nur eine Zeitangabe. 40 Tage und 40 Nächte, diese Zeitangabe lässt die Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste aufscheinen: 40 Jahre waren sie unterwegs in das Land der Freiheit, das Gott ihnen zugesagt hatte; und 40 Tage und 40 Nächte wird Jesus später in der Wüste fasten und beten, bevor er seine Versuchungen besteht und seine öffentliches Wirken beginnt. 40 Tage und 40 Nächte, 40 Jahre – in der biblischen Geschichte wird damit erklärt, dass es wirklich sehr, sehr lange gedauert hat.
So wie wir heute das Gefühl haben, dass 100 Jahre eine ganz lange Zeit sind. Von denen zum Beispiel, die damals – vor hundert Jahren – dabei waren, als der TuS gegründet wurde, lebt keiner mehr. Und wenn der Verein in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, so wird man auch hier fragen können: Was hat diesem Verein die Kraft gegeben, diese lange, lange Zeit durchzuhalten und auch in ganz schwierigen Zeiten nicht unterzugehen. Denn solche Krisenzeiten hat es zum einen sportlich immer wieder gegeben; solche Krisenzeiten hat es aber auch und vor allem gesellschaftlich mit der Auflösung des Vereins während des Dritten Reiches gegeben. Trotzdem, trotz aller Krisen hat es der Verein geschafft, immer wieder Menschen zu finden, die da weitergemacht haben, wo die vorigen den Verein hingeführt hatten: durch manche Krisen hindurch und zu großen Siegen, wie in diesem Jahr zum Aufstieg der ersten Handball-Mannschaft. So wie Elia in Elisa einen Nachfolger gefunden hat, der sein Amt dann weitergeführt hat.
Dass dies auch weiter möglich ist, hoffe ich sehr: dass sich im Sportverein und in der Kirchengemeinde und auch in allen anderen Vereinen immer wieder Menschen finden, die ihre Gaben nutzen und sich für etwas und andere Menschen einsetzen. Die Kraft und die Gaben, die sie für ihre jeweiligen Aufgaben brauchen, diese Kraft und diese Gaben bekommen sie von Gott geschenkt.
„… Und Elia ging durch die Kraft der Speise 40 Tage und Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.“ Etwas, das auf seine eigene Weise Kraft gibt – für Sportler und für andere, die Kraft brauchen – das ist Traubenzucker: Garantiert unverdächtig, was Doping anbelangt; vielmehr etwas, das mit seiner Kraft sofort ins Blut geht und weiterhilft. Auch wenn Traubenzucker nicht einfach nur aus Trauben gewonnen wird, für mich ist es doch ein schönes Bild für das, was sonst in der Kirche mit dem Heiligen Abendmahl gemeint ist: eine Kleinigkeit nur – aber mit großer Wirkung.
Traubenzucker – den möchte ich heute Morgen gerne verteilen: Für alle hier im Gottesdienst als Zeichen dafür, dass wir von Gott durch Jesus Christus immer wieder neu Kraft bekommen: für das Leben und für den Sport, denn Jesus Christus spricht zu seinen Jüngern: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
Amen.