Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias (17. Januar)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Wir kommen in doppelter Weise von Weihnachten her: Wir kommen vom Heiligen Abend, an dem wir – wie in jedem Jahr – das Kind in der Krippe betrachtet und besungen haben, an dem wir uns versucht haben, in das Geheimnis hineinzudenken, dass dieser große Gott zu einem kleinen und armen Kind in der Krippe wird und so ein menschliches Gesicht bekommt. Wir kommen aber auch – vielleicht nicht ganz so bewusst – vom Epiphaniasfest her: dem Fest, an dem – der Tradition nach – die Weisen, die Könige aus dem Morgenland zur Krippe kommen und dem armen Stall einen königlichen Glanz verleihen. Solange die Epiphaniaszeit dauert, wird in immer neuen Geschichten erzählt, wer denn dieser Jesus von Nazareth ist und was es mit diesem Kind auf sich hat, das so arm im Stall geboren wird und das doch der König über allen Königen, der Herr über die Naturgewalten und Gottes Sohn ist, an dem Gott selbst Wohlgefallen hat.

Mit dem Evangelium des heutigen Sonntags wird uns ein ganz eigener Blick auf Jesus ermöglicht: Jesus ist der Meister der Freude, denn er verwandelt Wasser zu Wein und rettet so die Hochzeit, die sonst ein ziemlich trauriges Fest geworden wäre. Manche werden sagen: Ja, sicher ist Jesus der Meister der Freude, aber es wäre doch auch deutlich geworden, ohne dass es ein Besäufnis sonder gleichen hätte geben müssen. Man könne doch auch ohne Alkohol fröhlich sein. Da spricht unsere Zeit, die auch die negativen und zerstörerischen Folgen von Alkohol viel zu deutlich kennt.

Aber in der Geschichte von der Hochzeit zu Kana geht es nicht darum, dass es einfach ein unmäßiges Besäufnis gegeben hat. Es geht nicht darum, dass da, wo Jesus ist, gesoffen wird bis zum Umfallen. Es geht darum, dass da, wo Jesus ist, das Leben in seiner ganzen Fülle, ja im Überfluss zu finden ist. Auch wenn es uns so geht wie dem Speisemeister und wohl auch dem Bräutigam – dass wir es gar nicht verstehen, woher diese Fülle kommt.

Das Bild von der Hochzeit, zu der Jesus eingeladen worden ist, passt in vielerlei Hinsicht auch gut zu uns heute, denn zu den Hoch-Zeiten des Lebens – da wollen wir Jesus auch gerne dabei haben und laden ihn gewissermaßen ein: zu der Taufe eines Kindes ebenso wie zur Konfirmation, zur Trauung wie schließlich auch zur Beerdigung; denn an diesen Lebensübergängen spüren wir besonders deutlich, wie wichtig es ist, dass wir Anteil haben an der Fülle des Lebens, für die Jesus steht. Da, wo Jesus ist, finden wir Leben, Fülle und Freude.

Aber Jesus überrascht uns immer wieder, denn er ist auch dann da, wenn wir ihn gar nicht so deutlich und direkt eingeladen haben und eben nicht nur bei den Hochzeiten unseres Lebens: Er ist auch in unserem Alltag da, so wie er es am Ende des Matthäusevangelium versprochen hat: Siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende – an allen Tagen. Und da kommt der Predigttext des heutigen Sonntags ins Spiel, denn in dem erklärt uns Paulus, was aus der Menschwerdung Gottes in der Geburt Jesu und aus der Zusage Jesu erwächst, dass er immer da ist. Paulus beschreibt die Vision eines Lebens in der Fülle und den Weg dorthin.

Paulus schreibt im Brief an die Gemeinde in Rom, im 12. Kapitel (eigene Übersetzung):
9 Die Liebe soll aufrichtig sein; verabscheut das Böse, klammert euch an das Gute. 10 In geschwisterlicher Liebe seid einander herzlich zugetan; in gegenseitiger Achtung kommt einander zuvor. 11 In der Einsatzbereitschaft lasst nicht nach, im Geist seid brennend, in dem Herrn dient. 12 in der Hoffnung freut euch, in der Bedrängnis haltet stand, im Gebet bleibt dran. 13 In der Not nehmt euch der Heiligen an. Übt eifrig Gastfreundschaft. 14 Segnet, die euch verfolgen; segnet und flucht nicht. 15 Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
Dieser Abschnitt des Römerbriefes ist – so habe ich es an einer Stelle gelesen – wie eine Perlenkette. Eine solche Kette ist ja bekanntlich nicht nur irgendein Stück Modeschmuck. Eine Perlenkette ist ein ganz besonderes Schmuckstück, denn sie lässt diejenige, die sie trägt in einem ganz besonderen Glanz erstrahlen – in einem Glanz, den sich Paulus für die Gemeinde in Rom erhoffte, in einem Glanz, den ich mir auch für unsere Gemeinde und für unsere Kirche erhoffe; in einem Glanz, der wohl auch über der Hochzeit zu Kana gelegen hat.

Auf der anderen Seite sind die Ermahnungen auch wie ein gutes Geländer für stürmische Zeiten: wenn man gar nicht mehr so genau weiß, wie und wo es lang gehen soll. Diese Worte bieten Halt, weil sie sagen, was in der Kirche und unter Christen wirklich wichtig ist. Und dabei sind sie nicht in einem schnoddrigen Kasernenton gehalten, der einem von vorneherein das Interesse nimmt, sich darauf einzulassen.

Die Ermahnungen, die Aufforderungen des Paulus sind eben keine Einschränkungen des Lebens, sie sind nicht als Drangsalierung der Gemeinde gemeint, weil es Paulus Spaß machen würde, der Gemeinde unerfüllbare Aufgaben zu stellen. Paulus schreibt seine Worte als werbende Hinweise, als Einladungen zu einem Leben in Fülle, zu einem Leben in Fülle im Alltag – eben nicht nur bei den Hochzeiten, also den Hoch-Zeiten des Lebens, sondern auch und vor allem für die Zeiten, wenn uns unser ganz normales Leben umgibt: von Montag bis Freitag gewissermaßen.

Wie Jesus, wenn es um das geht, was das Leben im innersten zusammenhält, und Jesus das höchste Gebot, das Doppelgebot der Liebe formuliert, so fängt Paulus auch bei der Liebe an: „Eure Liebe sei aufrichtig.“ Es ist in gewisser Weise das, was uns als Menschen doch ausmacht und zu Menschen macht: dass wir aufrecht stehen und gehen können, dass wir so auch vor Gott stehen können, weil Jesus uns dazu berufen und befreit hat. Und so aufrecht und aufrichtig soll eben auch die Liebe sein, die uns untereinander verbindet: Sie ist wie das Vorzeichen vor einer Klammer, das sagt: ich stehe vor jedem Einzelnen, was in dieser Klammer steht und ohne mich ist das nicht zu denken, was in der Klammer steht. Die Liebe ist gewissermaßen wie ein Dach, unter dem alles andere gilt.

Das ist, so erfahren wir auch immer wieder neu, nicht immer einfach: An uns zerren immer wieder Mächte, die uns von der Liebe wegreißen wollen: wie schnell geht uns die Liebe verloren, weil sich das Böse im Mantel des ach so Vernünftigen und Einleuchtenden an uns heranmacht. So wie sich ein Schiffbrüchiger an das rettende Stück Holz klammert, so sehr sollen wir uns an das Gute klammern. Wie mit Sekundenkleber sollen wir uns an das Gute festkleben.

„In geschwisterlicher Liebe seid einander herzlich zugetan.“ Wir müssen dabei zwar wir nicht immer einer Meinung sein. Denn es wird immer unterschiedliche Sichtweisen auf das Leben geben. Und wer selber Geschwister hat, wird immer wieder feststellen, dass es eine Liebe der eigenen Art ist, mit der Geschwister untereinander umgehen. Aber wie für ganz viele trotz aller internen Schwierigkeiten die Familie das Wichtigste im Leben ist, so gilt es auch für die Gemeinde und die Kirche als Ganze: am Tisch Jesu sind wir auf eine ganz besondere Weise vereint. Denn er sieht uns auf ganz besondere und liebevolle Weise an und dieses Ansehen, das wir bei ihm haben, macht es auch uns möglich, den Menschen neben mir so anzusehen und ihm so das Ansehen zu zeigen, das er bei Jesus hat. So geht es in der christlichen Gemeinde darum, dass wir uns gegenseitig zum Guten stärken und einander helfen, uns zu verbessern: „In gegenseitiger Achtung kommt einander zuvor.“

Für Paulus kann diese Liebe zu Gott und den Geschwistern im Glauben und damit auch zur Kirche nie gleichgültig sein. Da sind Einsatz und Begeisterung gefragt. Und so sollen wir in unserer Einsatzbereitschaft nicht nachlassen, im Geist brennen. Paulus hat dabei wahrscheinlich die Gemeinde als Ganze im Blick, denn nicht jeder Einzelne kann immer mit ‚Volldampf voraus‘ dabei sein. Immer wieder gibt es auch Situationen im Leben, in denen wir darauf achten müssen, nicht zu verbrennen oder auszubrennen. Bei aller Begeisterung dürfen wir dann auch nicht vergessen, wem unser Engagement dient. Es geht darum, in dem Herrn zu dienen. Wir sollen und dürfen uns über das freuen, was wir tun und was uns gelingt; wir dürfen zufrieden sein, wenn wir auch für uns persönlich weiter kommen und wachsen. Aber das macht uns nicht besser als andere und hebt uns nicht über die anderen. Es bleibt ein Dienst für den Herrn Jesus Christus.

Und es ist ein Dienst, der ein Ziel hat. Ein Ziel, das wir voller Freude und voller Hoffnung ansteuern können. Paulus sagt hier zwar nicht ausdrücklich, was das Ziel und die Richtung der Hoffnung ist, wenn wir uns in der Hoffnung freuen sollen. Aber er weiß, dass es immer wieder Momente im Leben gibt, in denen einem diese Hoffnung abhanden kommen kann. Der Aufforderung zum Standhalten entspricht dabei der Zuspruch, der den Menschen diese Kraft zuspricht, das auch zu schaffen: den Widrigkeiten des Lebens standzuhalten, die den Glauben bedrohen. Und wir alle werden diese Widrigkeiten und Bedrängnisse im Leben kennen und nennen können, die uns unsicher werden lassen: wie das denn mit Gott ist und seiner Liebe und der Lebensfülle für uns. Sei es, dass wir um unseres Glaubens willen von anderen Menschen unter Druck gesetzt werden, sei es, dass Krankheiten und Unglücke bei uns oder anderen das Vertauen zu Gott ins Wanken zu bringen drohen.

Paulus schreibt dazu: ‚Bleibt dran, wenn es euch so ergehen sollte; bleibt dran!‘ und Paulus meint, das Beste, was es in diesen Situationen der Bedrängnis gibt, um diesen zu widerstehen, ist das Gebet. Lasst euch nicht dazu bringen, die Beziehung zu Gott abzubrechen; es geht nicht in erster Linie darum, etwas ganz bestimmtes zu glauben; es geht doch zu allererst darum, dass wir in einer lebendigen Bezeihung zu Gott leben. Und denen es gut geht, die sollen sich derer annehmen, die in Not sind: Der Menschen in der eigenen Gemeinde und der notleidenden Schwestern und Brüder in der weiten Welt: finanziell und ideell, spirituell und praktisch.

Menschen, Christen in Not, die können aber auch auf ganz unterschiedlichen Gründen an der Tür der Gemeinde stehen. Da ist es unendlich wichtig, eifrig Gastfreundschaft zu üben, offene, einladende Kirche zu sein, offen für die unterschiedlichsten Menschen ohne Ansehen der Person: Herberge sein für Sinnsucher und Menschen in Lebenskrisen, für Lebensfrohe und Lebensmüde, für Alte und Junge, Starke und Schwache. Manche, die so gastfreundlich waren, sollen damit schon, ohne dass sie es wussten, Engel beherbergt haben.

Als Christen sind wir Gesegnete, leben unter Gottes Segen und bleiben doch immer neu auf diesen Segen angewiesen, denn ohne ihn können wir nichts tun. Zu dem Segen gehört auch, anderen zum Segen zu werden. Besonders auch denen, mit denen wir uns schwer tun. Was wäre aus Paulus, dem ehemaligen Christenverfolger geworden, wenn er nicht auch von anderen Segen empfangen hätte? Eine Kirche, die segnet, schielt nicht auf neue Kundschaft, sondern sie verkörpert die grenzenlose Gnade Gottes.
Das Leben der Gemeinde insgesamt spannt sich aus zwischen Freude und Trauer, zwischen Lachen und Weinen. Beides gehört dazu und alles dazwischen: Wir brauchen unsere Lebensfreude nicht an der Kirchentür abzugeben, wir brauchen aber auch unsere Tränen nicht anonym zu entsorgen. Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden. Denn über beiden Extremen spannt sich die Liebe. Sie ist die wunderbarste und die größte Perle der Kette, sie ist das Fundament für das Geländer. Amen.

Die Predigt ist in ihrem 2. Teil in besonderer Weise von der Predigtmeditation von Siegfried Eckert inspiriert (in: Göttinger Predigtmeditatinen (64/1 = Pastoraltheologie 98/2009-11, S.94-100).

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