Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Der Predigttext für den heutigen 2. Sonntag nach dem Trinitatisfest steht im Brief an die Gemeinde in Ephesus, im 2. Kapitel:
Epheser 2,17-22
Großer Gott, dein Heiliger Geist ist Herr über Reden und Hören. Segne unser Bemühen durch Christus, unseren Bruder und Herrn. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus! Liebe Konfirmationsjubilare!
Konfirmation – 50 Jahre, 60 Jahre oder 65 Jahre ist das heute nun für ganz viele von Ihnen her. Für manche ist das alle ganz lange her, und die Erinnerung daran beginnt so ein wenig zu verschwimmen, für andere ist es, als ob es gestern gewesen wäre, so lebendig stehen der Gottesdienst und der Moment der Einsegnung noch vor Augen – mit welchen Gefühlen? Freudige Erwartung und Erregung oder Unsicherheit, weil man ja nichts falsch machen wollte oder sogar Angst, weil das alles trotz der zwei oder sogar drei Jahre Konfirmandenunterricht irgendwie alles fremd war? Sie selbst werden es am Besten wissen.
Aber es sind heute ja nicht nur Menschen im Gottesdienst, die auf ihre Konfirmation zurücksehen – ganz gleich ob im Jubiläumsjahr oder irgendwie dazwischen – sondern die vielmehr noch auf die Konfirmation zugehen – erwartungsvoll, mit ganzem Herzen dabei oder vielleicht auch nur mäßig an Inhalten, dafür aber mehr am Ergebnis, auch am finanziellen interessiert. Diese Bandbreite, die ich heute bei den Konfis beobachten kann, haben Pastor Rocke, Pastor Vauth und Pastor Arning damals bei Ihnen im Prinzip auch wahrnehmen können, auch wenn der Blick auf die materiellen Geschenke zur Konfirmation damals natürlich viel weniger ausgeprägt war wie heute: Vor allem für die Konfirmationsjahrgänge 1945 und auch noch 1950 gab es ja nichts, was man Ihnen hätte schenken können. Direkt nach der Schulentlassung ging es mit 14 in die Ausbildung, ins volle Erwachsenenleben – was sich die heutigen Jugendlichen kaum vorstellen können.
Der innere Bezug aber zu dem, was in der Konfirmation befestigt und bekräftig wurde: zur Taufe und zum Glauben und zur Kirchengemeinde, dieser Bezug war und ist bei den so verschiedenen Menschen sehr unterschiedlich ausgeprägt: bei manchen stärker und bei anderen weniger stark. Und auch wenn Sie nur Ihr eigenes Leben betrachten, werden Sie feststellen, dass es unterschiedlich gewesen sein mag: Phasen mit größerem Interesse und stärkerer innerer Beteiligung und dann wieder Zeiten, in denen Kirche und Glaube weniger wichtig oder sogar ganz aus Blick geraten waren. Manchmal ist es der Konfirmandenunterricht der Kinder oder auch der Enkel, der dann noch einmal neu nach Gott fragen lässt.
Immer wieder aber wird es Gelegenheiten gegeben haben, eine Kirche von innen zu sehen und an einem Gottesdienst teilzunehmen. Manche von Ihnen werden sich eher fremd gefühlt haben; wohl nicht nur in Gottesdiensten in anderen Gegenden, sondern auch hier in Möllbergen oder Holzhausen und Holtrup: ein anderer Pastor, der dann vielleicht auch noch keinen Talar, sondern eine Albe trägt, eine umgebaute Kirche, eine mehr oder weniger stark veränderte Liturgie; andere werden sich bei solchen Gelegenheiten besser zurecht gefunden haben, weil sie öfter im Gottesdienst sind – es ergibt sich eine gewisse Routine, die einen eher erwartungsvoll werden lässt: „Na, mal sehen, was es heute Besonderes gibt.“ Je besser sich Menschen auskennen, desto sicherer, desto mehr zuhause werden sie sich fühlen. Umgekehrt mag es bei denen sein, die eher selten gehen: Gehöre ich überhaupt dazu? Passe ich hierher? Ist das meins? Vielleicht ist die Unsicherheit sogar so groß, dass Menschen heute nicht gekommen sind, weil sie dieses Gefühl haben. Und im Gespräch fallen dann manchmal so Sätze wie dieser: „Geh du da hin, in die Kirche, du kennst dich da aus; ich finde mich da nicht so zurecht.“
Gottes Haus, die Kirche – nur ein Ort für welche, die genau Bescheid wissen, also für Spezialisten, für Glaubensspezialisten? Es wäre sehr schade, wenn es so wäre; es wäre mehr als schade, es wäre eine Katastrophe; denn es wäre gegen das, was Jesus und was Paulus und so viele andere wollten: Menschen einen Weg zu Gott zu eröffnen, ganz gleich, an welchem Punkt auf ihrem Lebensweg sie sich gerade befinden: nah dran oder ganz weit weg, in den Gruppen der Bibel: Pharisäer oder Zöllner – das zählt nicht; was zählt, ist die Frage nach Gott, die Sehnsucht im Herzen.
Ich möchte sogar noch einen Schritt weiter gehen: Glaubensspezialisten, die besser als andere im Glauben wären, die durch Aufrechnen von frommen Werken wie Gottesdienstbesuchen näher an Gott dran wären, die gibt es nicht, kann es nicht geben. Wir können nichts ansparen an Nähe zu Gott oder an Glaubensgewissheit, so als ob wir ein Sparbuch hätten, das mit jedem Gottesdienstbesuch oder mit jedem Gebet ein bisschen gehaltvoller würde, denn Gott kommt und ist allen Menschen gleich nah, viel näher als wir oft denken. Wir alle fangen im Grunde jeden Morgen neu mit dem Glauben, mit unserer Beziehung zu Gott und mit unserem Lebensgespräch mit Gott an – so wie Gottes Güte, Treue und Liebe zu uns jeden Morgen neu ist und nach uns fragt, nach jeder und jedem von uns. Und er hofft auf unsere Antwort – auch jeden Tag neu.
Und deshalb soll und muss Gottes Haus, die Kirche ein Haus für alle Menschen sein: für die, die regelmäßig kommen, und für die, die nur selten einmal vorbei- oder hineinschauen. Und damit sind wir mittendrin in unserem heutigen Predigttext, denn da geht es auch um die, die sich weiter weg und deshalb nicht so ganz zuhause fühlen: da waren die, die schon immer zu denen gehört hatten, die an den Gott Israels geglaubt hatten; und da waren die, die durch die Predigt des Paulus und anderer ganz neu zu diesem Glauben gekommen waren und die sich jetzt irgendwie noch nicht richtig dazugehörig fühlten: die anderen – das waren die, die es drauf hatten, und man selbst war wie die Neue in der Klasse, die allerhöchstens geduldet war, oder wie der Neue in der Mannschaft, der erst einmal ganz still zu sein und am Rand zu warten hatte.
Paulus widerspricht dieser Unterscheidung von ferner und näher energisch und spricht den scheinbar ferneren Mut zu: die Botschaft Jesu vom Frieden und der Nähe Gottes ist an sie genau so ergangen wie an die scheinbar nahen; Jesus Christus eröffnet den Zugang zu Gott für alle gleichermaßen, denn er gibt nur diesen einen Geist.
Um zu verdeutlichen, wie sehr dies die Verhältnisse in den Gemeinden damals verändert hat, verwendet Paulus Bilder aus dem Staatswesen: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. Gäste und Fremdlinge waren damals rechtlich gesehen unselbstständig, hatten kein Stimmrecht in der Volksversammlung und gehörten einfach nicht mit dazu. Ganz anders sah das bei den Bürgern und den Hausgenossen aus. Das waren die Anerkannten, die dann auch die Verantwortung trugen.
Auch heute gibt es das noch, in dörflichen Strukturen wie bei uns mehr als in der Stadt: Wer von außen zuzieht, ist nicht selbstverständlich mit aufgenommen in die Dorfgemeinschaft; manchmal bleibt eine Distanz über Jahre hinweg; oft sind es gemeinsame Aktionen, bei denen sich die Neuangekommenen bewähren können; hat man dann erst einmal bei einer Kindergartenaktion oder bei einem Dorffest miteinander gearbeitet und geschwitzt und dann das erste Bier miteinander getrunken, ist der Bann meist gebrochen. Es gab aber auch Zeiten, in denen das Zusammenfinden viel länger gedauert hat.
Die Botschaft des Paulus ist klar: Es kommt nicht darauf an, was vorher war; denn in der Kirche, in der Gemeinschaft der Glaubenden und Getauften sind es nicht die, die schon länger da waren, die über die Zugehörigkeit der anderen entscheiden, sondern das tut allein einer: das entscheidet Christus, das hat er schon entschieden, indem er seine Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen an alle Menschen verkündigen lässt und seinen Geist auf alle Menschen ausgegossen hat, die sich zu ihm bekennen. Auch im Abendmahl, das wir heute, wie bei der Konfirmation damals feiern, wird das deutlich: Wir stehen alle um den Tisch Jesu und empfangen das gleiche Brot und den gleichen Kelch. Und es kommt darauf an, dass es Christus ist, der einlädt.
Er ist der Garant für diese Gemeinschaft der Kirche, er ist ihr Fundament. Um dieses deutlich zu machen, verwendet Paulus noch einmal ein neues Bild: Das Bild von einem Haus, das aus vielen Steinen gebaut wird, das aber nur dann sicher steht, wenn es ein gutes Fundament und solide Grundmauern hat. Für die Epheser und damit auch für uns ist Jesus Christus das Fundament, die Grundmauer setzt sich aus denen zusammen, die seit Anbeginn das Wort Gottes an die Menschen ausgerichtet haben: die Propheten zur Zeit des 1. Bundes und die Apostel als Anfangsstationen für den Neuen Bund, Stationen, die bis heute weitergeführt sind.
Eines schließlich wird an diesem Bild des Hauses auch noch deutlich, so wie Paulus es verwendet: Es kommt auf jeden einzelnen Stein an, auf jede und jeden Einzelnen, auf alle, die sich mit ihrem Herzen einmal diesem Gott zugewandt haben: Es kommt auf alle an und jeden Tag neu.
Amen.