Predigt am Ostermontag über Lukas 24,36-45

Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Die Botschaft von der Auferstehung ist nun schon wieder einen Tag alt. Denn es war ja gestern, dass sie rund um den Erdball erneut verkündigt wurde. Die Botschaft von der Auferstehung ist damit gewissermaßen „von gestern“ – in unserer heutigen, schnelllebigen Zeit ein Makel, denn nur, wer oder was aktuell ist, hat in unserer Zeit angeblich eine Chance, wahrgenommen zu werden. Das möchte man uns jedenfalls einreden: Wer von gestern ist, ist out, unwichtig, und damit auch nutzlos.

Aber das scheint nur auf den ersten Blick so zu sein. Denn immer wieder machen wir die Erfahrung, dass Nachrichten, Begebenheiten, Momente unseres Lebens die Möglichkeit zum Nachklingen brauchen, um überhaupt ihre Wirkung entfalten zu können. Jede erste Begegnung mit einem Menschen braucht ein Wiedersehen, um zu einer Freundschaft wachsen zu können; jede Liebe auf den ersten Blick braucht die Gelegenheit zu einem zweiten Blick und dann auch zu einem ersten und zweiten Wort, um zu einer tragfähigen Gemeinschaft zu werden.

Und so ist es auch mit der Osterbotschaft, die heute Morgen am Ostermontag zwar auf der einen Seite auch „von gestern“ ist, die aber auf der anderen Seite die immer neue Wiederbegegnung braucht, um zu ihrer wahren und reifen Tiefe zu kommen. Und da ist der Ostermontag eine wunderbare erste Gelegenheit, der Tiefe dieser Botschaft „Der Herr ist auferstanden!“ nachzugehen. Im Grunde ist jedes Osterfest seit fast 2000 Jahren so ein Versuch; ist jeder Sonntag als Tag der Erinnerung an die Auferstehung Jesu so ein Versuch, diese Botschaft immer wieder neu im Herzen zu bewegen, nachzumeditieren.

Heute also der Ostermontag, an dem die Begegnungen der Jünger mit dem auferstandenen Jesus im Mittelpunkt stehen. Von der Komposition des Lukasevangeliums her sind wir immer noch am Tag der Auferstehung: Morgens hatten die Frauen Jesus am Grab gesehen und Petrus war dort gewesen und hatte nur die Leinentücher gesehen, aber nicht Jesus selbst. Über Tag waren dann die Emmausjünger unterwegs gewesen und Jesus mit ihnen, bis er von ihnen erkannt wurde und die beiden dann sofort nach Jerusalem zurückkehrten, um das den anderen zu berichten; denen war Jesus aber inzwischen auch erschienen, obwohl Lukas davon nichts Genaues erzählt; und dann steht Jesus plötzlich mitten unter seinen Jüngern und grüßt: „Friede sei mit euch.“

Im Grunde sind auch alle diese Begebenheiten, die Lukas uns hier erzählt, der Versuch, sich dieser so ungeheuerlichen Botschaft anzunähern; sie immer wieder von neuem durchzubuchstabieren und in die eigene Lebenssituation einzubauen: Da sind Frauen am Grab, die feststellen müssen und dürfen, dass sie den Lebenden nicht bei den Toten suchen müssen, denn Jesus lebt und er ist dort, wo Leben stattfindet. Da sind die Emmausjünger, die die Erfahrung machen, dass Jesus sie auf ihrem Weg begleitet – auf dem Weg der Trostlosigkeit – und dass er ihnen neue Hoffnung gibt.

Aber wie geht das, wie macht man das – diese Botschaft von der Auferstehung meditieren, sie im Herzen bewegen, sie im eigenen Leben wichtig werden lassen? Schnell sind wir bei der Frage und bei der Suche nach einer Methode, mit der wir ein Ergebnis dieses Prozesses meinen erreichen zu können. Man muss das doch nur genug verstehen wollen, dann geht das schon. Lukas – wie auch die anderen Evangelisten – macht uns da mit seinen Berichten einen Strich durch unsere Aktivitäts-Rechnungen. Denn wenn wir seine Geschichten aufmerksam lesen, stellen wir fest: Die Jünger machen gar nichts, ja sie erwarten noch nicht einmal, dass etwas geschehen würde; sie sind einfach nur da und – wie schon in der ganzen Passionsgeschichte des Lukas – Jesus ist und bleibt der Handelnde: Er erscheint den Frauen, er begleitet die Emmausjünger, er tritt nun in das Gemach ein, wo sie alle versammelt sind und grüßt sie. Die Wirklichkeit des Auferstandenen ist weder ein Sucherfolg der Jünger damals noch das Untersuchungsergebnis irgendwelcher Experten in späteren Jahren und Jahrhunderten; die Wirklichkeit des Auferstandenen – sie stellt sich ein. In Worten mit Personen: Jesus bestimmt, wann er wo und wie kommt.
Wie überraschend und überwältigend die Situation wohl gewesen ist, wird daran deutlich, dass trotz des Friedensgrußes Jesu das Erschrecken riesig groß ist. Die Jünger halten ihn für ein Gespenst, für einen, der seine Totenruhe noch nicht gefunden hat. Aber ehe es gruselig werden könnte, ist die Möglichkeit, die Auferstehung Jesu in diese Richtung zu deuten, auch schon wieder vorbei: Denn Jesus setzt sich und isst mit seinen Jüngern – wie so oft schon vorher –, und das kann kein Gespenst.

Wenn Jesus nun kein Gespenst ist, dann wäre die andere Möglichkeit: Es ist so eine Art Götterwesen, das da vor den Jüngern erscheint. Aber auch diese – für viele sicher reizvolle – Variante wird abgewiesen, denn dieser Jesus lässt sich anfassen und kann sich durch seinen von den bekannten Verwundungen gezeichneten Körper als Mensch ausweisen.

Für Lukas ist es eindeutig und für diejenigen, für die er sein Evangelium schreibt, soll es ebenso eindeutig sein: Der Jesus, der vor den Jüngern erscheint, das ist eben der Jesus, mit dem die Jünger durch Galiläa gezogen waren, mit dem sie gegessen und getrunken hatten.

Aber es geht Lukas nicht nur darum, zu berichten, dass Jesus ein Plauderstündchen über die vergangenen Zeiten mit seinen Jüngern gehalten hätte. Es geht Lukas darum, den Seinen eine grundlegende Gewissheit zu ermöglichen, dass es mit dem seine Richtigkeit hat, was da geschehen ist, was so unglaublich klingt, dass alles mit Jesus so geschehen musste, weil es Gottes Wille und sein eigenständiges Handeln war, ist und bleibt. Der Maßstab dafür ist nicht einfach nur eine in den Raum gestellte These. Der Maßstab ist Gottes Wort, wie es in der Schrift überliefert ist. Und wie der Jesus von Nazareth und der auferstandene Jesus als ein- und derselbe von den Jüngern erfahren wird, so eröffnet Jesus ihnen auch die Einheit von Gottes Verheißung in der Schrift und dem Geschehen um ihn, Jesus.

Die Schrift wird zum Schlüssel für das Verstehen, was es mit Jesus und mit diesem Gott auf sich hat. So wie es bei den Emmausjüngern war, als Jesus ihnen die Schrift öffnete und ihr Herz brannte; so wie es bei dem Kämmerer aus Äthiopien war, der später durch Philippus die Schrift eröffnet bekam und nach seiner Taufe seines Weges fröhlich weiterzog; so wie der Apostel Paulus der Gemeinde in Rom schrieb, dass der Glaube aus dem Hören kommt; so wie 1500 Jahre später ein junger Mönch und Bibelwissenschaftler namens Martin Luther aus der Schrift heraus für sich und damit auch für uns erkannte, dass Gottes Liebe ein wunderbares Geschenk an uns ist, aus dem heraus wir unser Leben gestalten können.

In der Schrift, von der wir sagen und glauben, dass sie das lebendige Wort Gottes ist, kommt Jesus uns ganz nahe. In der Schrift ist und bleibt Jesus der Lebendige. Und so wird die Botschaft von der Auferstehung Jesu, die wir heute am Ostermontag bedenken, die wir schon so oft gehört und bedacht haben, die so viele vor uns schon gehört und bedacht haben, erneut zur Möglichkeit, dem Auferstandenen zu begegnen. Nicht, weil wir das aus uns heraus so machen könnten, sondern weil er sich zeigt, weil er uns mit seiner Gegenwart beschenkt: So wie wir es in der Taufliturgie gehört haben: Ich bin bei euch alle Tage. So wie wir es gleich beim Abendmahl feiern werden, wenn wir Brot und Kelch teilen und dabei gewiss sein dürfen, dass Jesus auf ganz besondere Weise dabei gegenwärtig ist und wir an ihm Anteil bekommen.

Ja, können wir sagen, die Botschaft, die wir heute hören und bedenken, ist von gestern; sie ist sogar von vor-vor-vor-vor-vorgestern. Aber wie in jeder Lebens-Beziehung braucht es immer wieder neue Begegnungen, damit diese Beziehung wachsen, reifen und an Tiefe gewinnen kann. Denn so wird sie dann tragfähig und hält, wenn die Stürme des Lebens über einen hinwegbrausen.

Den Anfang macht dabei immer Jesus. Er kommt zu uns, auch wenn unsere Türen und Fenster der Seele verschlossen und verrammelt sein sollte; er öffnet uns das lebendige Wort. Hinhören und aufmerksam sein, seine Worte annehmen und seiner Herrschaft in uns Raum geben, um Zeugen zu werden – da können, dürfen und sollen wir dann mittun: voller Freude und Zuversicht, voller Gewissheit und Zutrauen. Der Geist, auf den die Jünger noch warten mussten, der ist uns dazu bei unserer Taufe schon gegeben worden. Lassen wir ihm Raum in unserem Leben und lassen wir ihn wirken.
Amen.

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