Predigt am 3. Advent über Lukas 1,67-79

Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Bemühen im Reden und Hören. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Der Vers vor dem Lobgesang des Zacharias, den wir am Anfang des Gottesdienstes als Psalm gebetet haben, lautet: „Und sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt und weissagte.“ Was war geschehen? Viele werden es wissen: Zacharias – Priester im Jerusalemer Tempel, seine Frau Elisabeth zu alt, um noch Kinder zu bekommen. Ein Engel erscheint Zacharias beim Tempeldienst und verheißt einen Sohn und, weil Zacharias nicht glaubt, muss er bis zur Namensgebung stumm bleiben.

Es geschieht alles so, wie der Engel gesagt hat: Elisabeth wird schwanger, das Kind kommt zur Welt und soll einen Namen bekommen. Damals in Israel wurden die Namen nach dem Vater, beziehungsweise der Muttern vergeben, nach Onkel oder Tante, nach den Großeltern. Doch jetzt soll alles ganz anders sein, denn Elisabeth will das Kind Johannes nennen – obwohl niemand aus der Verwandtschaft so heißt.
Der immer noch stumme Zacharias muss die Namenswahl schriftlich bestätigen; als er das tut, bekommt nicht nur das Kind seinen Namen, sondern Zacharias bekennt sich mit der Namensgebung auch zu dem, was der Engel ihm verheißen hat. Zacharias glaubt und bekennt so seinen Glauben und er bekommt damit auch seine Sprache zurück. Neun Monate Schweigen sind zu Ende und die ersten Worte des so lange stummen sind dann dieser Lobgesang.

Was hätten wir wohl gesagt, wenn es uns so gegangen wäre? Etwas wie: „Endlich wieder reden!“? Zacharias jedenfalls hatte viel Zeit gehabt – nicht nur, um sich zu überlegen, was er sagen wollte, wenn er erst nur wieder reden könnte. Er hatte viel Zeit gehabt, über sich und seinen Glauben – über sich und sein Verhältnis zu Gott nachzudenken, mit sich und Gott ins Reine zu kommen: Neun Monate schwanger gehen – nicht nur mit einem Kind, sondern eben auch mit dieser Ankündigung Gottes: „Es passiert etwas in deinem Leben, weil ich, Gott, mit dir etwas vorhabe!“

Ich frage noch einmal: Wie wäre es uns wohl ergangen; uns, die wir doch oft in einer Tour reden oder sonst irgendwie kommunizieren? Heute wären für Zacharias bestimmt auch die Internetverbindung und das Handynetz gekappt: also mit sich selbst auskommen und nur mit sich selbst. Ich denke, Menschen, die alleine wohnen, werden es wohl am ehesten nachempfinden können, wie es Zacharias gegangen ist. Aber da kommt dann ja auch noch ein Zweites dazu: Was hätten wir gemacht, wenn uns Gott mit einer ganz besonderen Aufgabe betraute; uns, die wir ja oft genug meinen, dass wir so ganz unwichtig sind im Getriebe der Welt, ganz klein und so unscheinbar, dass Gott gerade uns wohl kaum wahrnehmen würde? – Zacharias geht nach seiner Begegnung mit dem Engel neun Monate lang mit Gottes Anspruch an ihn schwanger.

Wir bereiten uns mit der Adventszeit vier Wochen auf Weihnachten vor. Vier Wochen, damit am Christfest das Jesuskind beim Krippenspiel nicht nur als Puppe in der Krippe liegt, sondern dass dieses himmlische Kind auch in uns geboren wird, dass wir von der Wirklichkeit und Nähe Gottes in dieser Welt ergriffen werden. Vier Wochen schwanger gehen mit der Ankündigung des Sacharja: „Siehe, dein König kommt zu dir! – ja: zu dir, gerade auch zu dir!“ Vier Wochen schwanger gehen – und dann wird Weihnachten entschieden – aber nicht unter dem Baum, sondern dann, wenn auch wir an der Krippe stehen.

Nach neun Monaten Vorbereitung, nach neun Monaten Wüstenzeit, hat sich bei Zacharias vieles geklärt. Er ist frei geworden für Gott und seine Botschaft, frei geworden für den Heiligen Geist, um das zu verkünden, was Gott ihm zeigt, um sein Glaubensbekenntnis zu formulieren und zu bekennen: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!“ Er hat sich entschieden – es brauchte keinen Weihnachtsbaum dafür.
„Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!“ Der erste, größere Teil seines Lobgesanges, der auf diese Art Überschrift folgt, hat dann auch gar nichts mit seinem Kind, also mit Johannes zu tun, sondern ist ein wunderbares Bekenntnis zu Gott und dazu wie dieser Gott nicht nur in der Vergangenheit irgendwann einmal gewirkt hat, sondern noch immer wirkt. In drei Strophen besingt Zacharias seinen Gott und dessen Wirken.

Strophe 1: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels. Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –.“

Gott ist nicht einfach mal eben auf eine Tasse Kaffee vorbeigekommen. Der Besuch, von dem Zacharias singt, meint eine ganz grundsätzliche Nähe, die ganz eng mit Befreiung verbunden wird. Den Gemeinden, in denen das Lukasevangelium gelesen wurde, wird bestimmt der Auszug des Volkes Israel aus Ägypten vor Augen gestanden haben, als Gott sein Volk aus Knechtschaft und Sklaverei befreite, um sie in das verheißene Land zu bringen. Zacharias Blick geht also weit über die eigene Familie hinaus, an die er ja durchaus zuerst auch hätte denken können.

Können wir uns diesen Satz von der Befreiung zueigen machen? Wo sind wir gefangen, wo sehnen wir uns in unserem Leben danach, von Gott besucht und befreit zu werden? Ich denke an uns als einzelne Menschen; ich denke aber auch an uns alle als Volk Gottes, als Kirche, die in so vielen Bezügen nicht nur heilige Vereinigung aller Getauften, sondern eben auch ganz handfeste irdische Organisation ist, die in den Gesetzmäßigkeiten von Wirtschaft, Recht und Zeitgeist genauso verstrickt ist wie alle anderen Organisationen und wie wir als Einzelne.

Und wie bei Zacharias gilt auch für uns: Gott hat schon gehandelt. Wir – durch die Taufe auf den Namen Jesu Christi gehören wir zum Haus Davids – haben Gottes Geist in dieser Taufe empfangen. Jesus ist der Garant – in ihm kommen alle Verheißungen zur Erfüllung, wie sie durch die Propheten ausgesprochen sind. In der Schriftlesung haben wir es mit den Worten des Paulus gehört.

Strophe 2: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, dass er uns errettet von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und dass er Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham.“

Gott rettet – was Zacharias hier singt, ist im Namen Jesu zum Grundsatzprogramm erklärt, denn Jeshua – Jesus bedeutet eben dies: Gott rettet. Wie in der ersten Strophe wird die Rettung in der Gegenwart mit der Verheißung aus der Vergangenheit in Beziehung gesetzt. Gott rettet vor den Feinden, weil er zu dem Bund steht, den er mit dem Volk am Sinai und schon vorher mit Abraham geschlossen hatte.

Jetzt steht die Frage nach den Feinden im Mittelpunkt: Wer sind die, die unsere Feinde sind, die uns hassen? Es wird in unserem Leben immer auch Menschen geben, mit denen wir nicht zurecht kommen. Die Feinde, vor denen Gott uns rettet, sind aber andere, als es Menschen sein können. Wenn Gott uns rettet, bewahrt er uns vor dem, was unser Leben bedroht: vor den bösen Mächten, vor dem Tod, der uns in ein namenloses Nichts stürzen lassen würde; vor der Gleichgültigkeit Gott und unseren Mitmenschen gegenüber, die alles Leben erstarren lässt. Gott rettet uns und gibt uns Kraft, dass wir – mit den Worten des Paulus gesprochen – das Böse, das das Leben zerstören will, mit Gutem überwinden.

Strophe 3: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, weil er uns gibt, dass wir ihm dienen ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen, denn wir sind erlöst aus der Hand unsrer Feinde.

Die dritte Strophe entwirft eine Vision vom Leben, das wir als Gottes Volk führen können, weil uns Gott aus der Hand unserer Feinde erlöst und befreit. Leben vor Gottes Augen – das heißt Leben unter seinem liebevollen, ermutigenden Blick; Leben in Heiligkeit und Gerechtigkeit: in Heiligkeit – das heißt Leben in untrennbarer Liebe und Bezeihung zu Gott; in Gerechtigkeit – das heißt Leben in unbeirrbarer Liebe zu den Menschen neben uns. Die Engel in der Botschaft des Heilgen Abends werden es in die Worte fassen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erde.“

Soweit der erste Teil von Zacharias‘ Lobgesang. Und dann erst, in einem zweiten Teil, wendet sich Zacharias seinem Kind zu, auf das er mit seiner Frau zusammen gewartet hat, und antwortet auf die Fragen, die die Nachbarn ihm gestellt hatten: „Was wird aus diesem Kindlein werden?“ Und wir dürfen ruhig uns dazu denken: „Was wird aus diesem Kindlein werden, wenn die Eltern auf der einen Seite mit der heiligen Tradition brechen und auf der anderen Seite sich dieser Traditionsbruch mit einem Wunder verbindet?“

Die Antwort Zacharias lautet: „Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, damit du seinen Weg bereitest und damit du seinem Volk Erkenntnis des Heils gebest, und das Heil besteht in der Vergebung ihrer Sünden.

Begründet ist diese Vergebung in der herzlichen Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns das aufgehende Licht aus der Höhe – der Morgenstern, das Licht der Welt, der Sohn Gottes, Jesus Christus – besuchen wird. Dieses Licht soll denen erscheinen, die in Finsternis und Schatten des Todes sitzen, und dieses Licht soll unsere Füße auf den Weg des Friedens richten.“

Der Engel hatte Maria von ihren Sohn Jesus gesagt, er würde ‚Sohn des Höchsten‘ genannt werden. Johannes wird der ‚Prophet des Höchsten‘ sein: Prophet und Wegbereiter. Aber auch wie Johannes diese beiden Ämter ausfüllen soll, wird uns eröffnet: Wie kaum ein anderer vor ihm wird er die Sünde der Menschen benennen; und gemeint ist mit Sünde die Macht des Bösen; das, was die Menschen von Gott und damit vom Leben wegbringt. Und wie kaum ein anderer wird er diesen Menschen und damit auch uns den Weg zurück zu Gott zeigen, indem er hinweist auf Jesus, das Licht der Welt, den Morgenstern, von dem schon Jesaja sagte: „Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ (Jesaja 60,1-2)

Liebe Gemeinde!
Neun Monate ist Zacharias nach seiner Begegnung mit dem Engel mit Gottes Anspruch an ihn schwanger gegangen. Vier Wochen gehen wir mit Gottes Anspruch an uns schwanger, hören wir auf seine Ankündigung, die uns zu einer Antwort ruft: „Mache dich auf! Siehe, dein König kommt zu dir!“ – als Kind im Stall von Bethlehem, als Kind und lebendiges Wort Gottes in unserem Herzen. Mögen auch wir nach dieser Zeit des Schwangergehens wie Zacharias von Gottes Geist berührt werden und das Lob unseres Gottes singen, der eben nicht nur damals vor 2000 Jahren gewirkt hat, wie es schon die Propheten viele hundert Jahre vorher verheißen haben, sondern der immer noch wirkt und immer noch spricht – auch zu uns.
Amen.

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