Predigt am 4. Sonntag vor der Passionszeit am 6.2.2022 über Matthäus 14,22-33

Der Predigttext Matthäus 14,22-33 wurde zuvor als Schriftlesung vorgetragen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.
Liebe Gemeinde!

Ja, bin ich denn schon wieder im gleichen Film? So mögen einige gedacht haben, die letzte Woche im Gottesdienst waren und heute wieder da sind. Aber ich kann beruhigen: Auch wenn die Jünger wieder im Boot unterwegs sind und schon wieder ein Sturm aufkommt: Es gibt in dieser Episode keine Sturmstillung; der Sturm legt sich ganz von selber.

Es geht heute in der Geschichte vom Seewandel des Petrus vielmehr um die Rolle, die Jesus in unserem Leben spielen kann und soll; es geht darum, im Chaos einer aufgewühlten Welt nicht irgendwelchen Irrlichtern und Gespenstern hinterherzulaufen; es geht vor allem um das Wunder, im Chaos einer aufgewühlten Welt nicht unterzugehen, sondern vom ihm, von Jesus gehalten zu werden.

Die Geschichte vom Seewandel des Petrus ist damit also auch eine Antwort auf die Frage: „Ich seh empor zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe?“, die der Beter von Psalm 121 gestellt hat, die wir zu Beginn singend nachempfunden haben. Und die Antwort auf diese Frage brauchen wir, wenn alles aus den Fugen zu raten droht. Wenn das Chaos über uns hereinbricht, um uns herum tobt. Wenn Wellen und Wind unser Lebensschiff hin und her werfen: unser persönliches Lebensschiff und das Lebensschiff der Gemeinde, von dem wir gleich noch singen werden. So ist es den Jüngern auf dem See Genezareth ganz real ergangen – und dazu noch mitten in der Nacht, wenn eh schon alles schwieriger und unheimlicher ist.

Liebe Gemeinde!
Es ist eine von nur drei Nachtgeschichten im Matthäusevangelium – neben der Geschichte von der Flucht nach Ägypten am Anfang und der Gethsemane-Geschichte an Jesu letztem Abend – und sie steht ziemlich genau in der Mitte des Evangeliums, gehört also zum Zentrum dessen, was Matthäus seiner Gemeinde mitteilen möchte. Das ist ganz wichtig, denn auch wenn die Geschichte vor Ostern spielt: Sie spiegelt ganz deutlich die Situation der bedrängten Gemeinde nach Ostern und die Gemeinde des Matthäus und damit auch wir sind eingeladen, uns mit den Jüngern und vor allem auch mit Petrus zu identifizieren:

Jesus ist nicht da, nicht mehr da. Die Jünger sind alleine auf dem See unterwegs – im Hören auf die Geschichte ist die Gemeinde mit dabei: Die Jünger bedroht von Wind und Wellen und wie im Spiegelbild die Gemeinde immer wieder bedroht von gefährlichen Mächten.

Da kommt Jesus: einfach so und ungerufen, plötzlich ist er zu sehen, wie er auf die Jünger zukommt. Deren erste Reaktion: „Ein Gespenst!“ – also eine zusätzliche Bedrohung, denn die Angst vor Sturm und die Dunkelheit der Nacht verstellen den Blick. Würden wir Jesus auf Anhieb erkennen, wenn er auf eine so unwahrscheinliche Weise zu uns käme? Würden wir nicht auch eine Täuschung vermuten; eben ein Gespenst, das uns etwas vorgaukelt, um uns noch sicherer in den Untergang zu führen?

Doch Jesus ist real, er kommt und bringt Hilfe, auch wenn wir das mit dem Über-das-Wasser-Gehen so nicht denken können. Aber hinter dem Wunder, dass Jesus das kann, steht doch: Jesus kommt auf eine ganz andere Weise als wir uns das denken oder vorstellen können. Mit den Jüngern schwankt auch die Gemeinde und schwanken auch wir: zwischen verängstigt einerseits, solange Jesus nicht da ist oder er bedrohlich wie ein Gespenst wirkt, und tollkühn andererseits, wenn sie wie Petrus eine Ahnung von seiner Nähe haben.

Dem ersten Beruhigungsversuch können die Jünger noch nicht folgen: „Ich bin’s! Fürchtet euch nicht!“ – Die Worte Jesu könnten ja auch eine Täuschung sein. Es sind dann nur zwei Worte, die Jesus als Nächstes spricht, um den Bann der Angst brechen: „Komm her!“ Diese Worte bewirken, dass Petrus auf diesen Befehl Jesu hin das Undenkbare wagen will: Auf dem Wasser zu Jesus zu gehen.

Und solange er seinen Blick auf Jesus gerichtet hat, wird dieses Wunder tatsächlich möglich – er kann auf dem Wasser gehen! Für die Gemeinde des Matthäus und uns bedeutet das: Wenn wir dem Befehl Jesu folgen, können wir das tun, was absolut undenkbar ist.

Sobald Petrus dann aber den Blick von Jesus abgewendet, gerät er in den Bann von Wind und Wellen und er beginnt zu sinken. Dabei hat sich die Situation gar nicht geändert: Wind und Wellen waren vorher ja auch da, aber sie hatten keine Macht über Petrus. Sobald Wind und Wellen im Brennpunkt stehen, sind wir von ihnen gebannt, sie haben Macht über uns und nehmen uns gefangen. Wir fangen an zu sinken …

In diesem Moment hält Jesus keine Predigt, in der er über Petrus und seine Situation nachdenkt. Er hilft: streckt die Hand aus und packt zu. Petrus soll nicht im Meer des Chaos versinken. Die zweite Reaktion Jesu ist dann eine Frage – für mich eine Frage mit Augenzwinkern, auch wenn sie in der Lutherübersetzung wie im griechischen Urtext zuerst wie ein Vorwurf klingt: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ Aber Jesus spricht Petrus nicht den Glauben ab; es ist immerhin ein kleiner Glaube, den Petrus hat. Ich höre darin keinen Vorwurf, sondern ein liebevolles „Hast du so wenig Vertrauen, Petrus? Ich hab es dir doch gezeigt.“; ein aufmunterndes „Beim nächsten Mal wird es besser!“

Der Rest ist fast banal, aber nur fast: Jesus steigt mit Petrus ins Boot und der Wind legt sich – als ob nichts gewesen wäre. Den Schlusspunkt aber setzen die Jünger als Gemeinschaft und damit die versammelte Gemeinde: mit einem Glaubensbekenntnis: „Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!“

Liebe Gemeinde!
Immer wieder im Leben stehen wir vor der Frage: Was sollen wir als Kirche tun angesichts von Wind, der uns entgegenweht, und Wellen, die drohen, das Gemeindeschiff kentern zu lassen? Denn es sitzt kein Einzelner im Boot, sondern die Gemeinschaft der Jünger und damit die Gemeinschaft der Kirche.
In dieser Geschichte geht es um das Wunder des Glaubens angesichts von Wind und Wellen. Und Glauben heißt nach dieser Geschichte: Wind und Wellen ernst nehmen, aber ihnen nicht das Zentrum überlassen. Ins Zentrum unseres Blicks gehört Jesus Christus. Glauben heißt dann, so können wir es auf den Punkt bringen: Glauben heißt, auf Jesus sehen – in allen Lebenslagen. Dann gelingt auch das, was auf den ersten Blick unmöglich zu sein scheint; es gelingt auch das, über das wir uns nur wundern können.
Amen.

Predigt zum Partnerschafts-Gottesdienst am 30.1.2022

Bwana Yesu asifiwe! Amen!

Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Wir feiern Partnerschaftsgottesdienst und sind darin mit den Geschwistern in Korogwe und Hale, in Mkata und Muheza, in Mombo und Handeni, in Kilindi und Mshihwi und all den anderen Gemeinden verbunden: im Beten und Singen, im Hören auf Gottes Wort; aber auch indem wir Sorgen und Ängste, Schwierigkeiten und Probleme, aber auch Freude und Glück miteinander teilen – so unterschiedlich die Situation auch ist: in Tanzania und in Deutschland. Nicht zuletzt durch die Auswirkungen der Coronapandemie stehen wir vor ähnlichen Fragen.

In diese Situation hinein ist für diesen Partnerschaftsgottesdienst ein Abschnitt aus dem Römerbrief als Predigttext ausgewählt worden, der alles das aufnimmt und uns – hier im Kirchenkreis Vlotho wie im Kirchenkreis Tambarare – auf die richtige Spur setzen will.

Paulus schreibt im 5. Kapitel des Römerbriefes: Römer 5,1-5

Dieser Gottesdienst steht unter der Überschrift „Glaube, Hoffnung, Liebe“. Unser Glaube, also das Vertrauen zu Gott gründet in der Liebe, die er uns durch Jesus Christus gezeigt hat. Diese Liebe macht uns zu Schwestern und Brüdern und will unter uns wirken auch in unserer Partnerschaft, aber auch weit über unsere christliche Gemeinschaft hinaus als Salz der Erde und Licht der Welt. Weil wir der Liebe Gottes vertrauen können, sind wir auch in der Lage, zuversichtlich in die Zukunft auch dieses neuen Jahres zu schauen, in der Hoffnung, dass uns Gott auch in schwierigen Situationen Halt geben kann und will.

Schwierige Situationen – ich habe dabei die Szene von der Sturmstillung vor Augen, die – wie sie eben als Evangelium gelesen wurde – für die Jünger Jesu zu einer echten Belastungsprobe ihres Glaubens geworden ist: Ein Wirbelwind macht aus der beschaulichen Bootsfahrt ein wildes und gefährliches Durcheinander.

Wie geht es uns wohl, wenn unser Leben ganz plötzlich durcheinandergewirbelt wird und plötzlich nicht mehr so wirklich klar ist, wo vorne und hinten, links und recht, oben und unten ist? In diesem Zustand sehen sich wahrscheinlich viele Menschen, seit vor so ziemlich 2 Jahren Corona angefangen hat und die Menschen in ein Auf und Ab von Hoffen und Bangen geworfen hat.

Ich weiß: Corona oder andere Unglücke und Katastrophen sind nicht einfach Auslöser einer Glaubenskrise, aber Verunsicherungen oder Chaos im alltäglichen Leben wirken sich immer auch auf das Vertrauen auf Gott und den Glauben an Gott aus. Auch die Jünger haben Angst vor dem Sturm, der als Naturerscheinung erst einmal gar nichts mit dem Glauben an Gott zu tun hat.

Die Jünger haben die Orientierung verloren und sind in Panik angesichts der Wellen und des Windes. Jesus aber ist nicht gegenwärtig: Er schläft. Für die Jünger wirkt es so, als sei Jesus ganz weit weg; vielleicht ist es so, wie wir das empfinden, wenn wir heute Gottes lebendige Nähe nicht so nahe bei uns spüren. Die panische Unsicherheit der Jünger heißt doch: „Wir erwarten, dass Jesus auf dem Schiff etwas von sich aus tut. Er müsste doch sehen, dass wir in Bedrohung sind.“ Die panische Unsicherheit heute ist – glaube ich – ganz ähnlich: „Das, was unser Leben durcheinanderbringt, da müsste Gott doch handeln und uns direkt helfen!“

Die Frage Jesu an die Jünger: „Wo ist euer Glaube?“ zeigt an, auf was es ankommt: nicht auf die Sturmstillung durch ihn. Die erscheint mir eher wie ein nettes Zugeständnis an die Jünger. Auch im Sturm kommt es auf den Glauben, auf das Vertrauen auf Jesus und Gott an: als innere Haltung, mit der wir den äußeren Ereignissen begegnen. Aus dem Vertrauen auf Gottes Gegenwart erwachsen Möglichkeiten, mit den schwierigen, ja lebensbedrohlichen Situationen umzugehen. Denn das Vertrauen auf Gott schafft eine innere Distanz zum Geschehen um uns herum und verhindert, dass wir uns in Panik verlieren.

Paulus schreibt, dass wir durch den Glauben an Jesus Christus Frieden mit Gott haben. Das bedeutet: Wir stehen nicht draußen und es steht noch etwas zwischen und uns Gott, das uns von ihm trennt; es bedeutet vielmehr, dass wir – trotz aller Unsicherheit und aller Wirbelwinde, die es in unserem Leben gibt – in der Gemeinschaft mit ihm ganz fest verwurzelt und gegründet sind. Das lässt uns die Bedrohungen des Lebens mit der nötigen inneren Distanz betrachten und dann angehen; wir brauchen nicht in Panik zu verfallen, denn: Wir sind in Gottes Liebe geborgen und haben so einen gegründeten Standpunkt.

Das bedeutet allerdings nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen könnten, um zu warten, bis Gott dann mal eingreift, so wie Jesus den Sturm gestillt hat, nachdem die Jünger ihn geweckt hatten. Es bedeutet vielmehr genau das Gegenteil: Im Vertrauen auf den sicheren Grund die Dinge ansehen, wie sie sind, und dann klug und umsichtig handeln, mit allen Möglichkeiten, die wir haben.

Paulus schreibt, dass wir Geduld haben können. Geduld zu haben meint für ihn, dass wir in den Bedrängnissen, die wir erleben ausharren, durchhalten und standhalten können, wie man das griechische Wort an dieser Stelle auch übersetzen kann. Und diese Erfahrungen des Standhaltens werden uns die nächsten Schritte gehen lassen: bestätigt durch die erfahrene Kraft des Heiligen Geistes.

Liebe Gemeinde!
Wir feiern heute die Gemeinschaft mit den Geschwistern in Tambarare. So weit die Menschen dort von uns auch entfernt sein mögen, wenn wir die Kilometer betrachten und die Stunden, die man braucht, um von hier zu ihnen zu kommen; wenn wir die Lebensumstände betrachten, die dort so ganz andres sind als bei uns; auch wenn wir die Art betrachten, wie dort der Glaube gelebt wird und welche Rolle Glauben und Gemeinde spielen: Wir sind durch eine Liebe miteinander verbunden, die uns alle ganz fest miteinander verbindet – über alle Unterschiede und Entfernungen hinweg: die Liebe, die Gott für uns hat. Durch sie sitzen wir gemeinsam in diesem einen großen Boot, das mit Jesus Christus unterwegs ist: vereint im glaubenden Vertrauen auf Gottes Nähe in Zeiten von Bedrängnis und fröhlicher Gegenwart, vereint in der Hoffnung auf Gottes Zukunft für uns und alle Menschen – in dieser Welt und darüber hinaus, vereint in der Liebe Gottes, die uns trägt und hält. Amen.

Kurz vor dem Partnerschaftsgottesdienst
Jeremia 33,3:  „Rufe mich an, so will ich dir antworten!“