Predigt am 3. Mai 2015 über Matthäus 11,25-30

Der Predigttext Matthäus 11,25-30 war zuvor als Schriftlesung zu hören gewesen. Im Gottesdinest hatte es im Eingangsteil eine Taufe gegeben; nach der Predigt wurde das Heilige Abendmahl gefeiert.

Predigt-Icon5Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Ich weiß nicht, wer sich von den Jüngeren heute noch eine Vorstellung von einem Joch machen kann. Die Älteren wissen bestimmt, wie so ein Ding aussieht und für was es gebraucht wird. Um zu zeigen, was das ist, habe ich eine Variante von Joch mitgebracht: (Vorzeigen und „anziehen“) Ein Tragejoch für Menschen, an dessen Ende jeweils eine Kette oder eine Schnur mit Haken angebracht ist, um etwas anzuhängen; meistens einen Eimer an jeder Seite. Der Sinn und Zweck eines solchen Werkzeugs ist es, Lasten gleichmäßig und besser zu verteilen. Wer einmal versucht hat, zwei volle 10-Liter-Eimer eine längere Strecke zu tragen, weiß, was ich meine: Nach zwei Minuten schneiden die Henkel vom Eimer in die Finger ein, nach spätestens fünf Minuten fängt man an unruhig zu gehen und das Wasser schwappt immer stärker und aus dem Eimer heraus. Mit einem Joch passiert das nicht. Der Rücken ist viel stärker als die Finger und die Arme.

Das Joch ist also ein Werkzeug, das wie alle anderen Werkzeuge das Leben leichter macht. Denn wenn ich eine bestimmte Menge Wasser zu transportieren habe, kann ich das mit einem Joch bei vollen Eimern in viel weniger Malen von diesem zu jenem Ort bringen, als wenn ich nur halbvolle Eimer mit meinen Händen trage. Joche wurden aber auch für Tiere verwendet, zum Beispiel um sie besser vor einen Pflug spannen zu können. Ochsen bekamen zum Beispiel das berühmte Brett vor den Kopf und konnten so den Pflug viel effektiver ziehen. Trotzdem hat das Joch bei uns bis heute einen eher negativen Klang. Und das ist durchaus verständlich, denn auch mit einem Joch auf den Schultern werden zwei 10-Liter-Eimer mit Wasser auf Dauer schwer und es ist immer schwere Arbeit, die damit getan werden muss – schweißtreibend eben.

Und dann verwendet Jesus dieses alltägliche Bild aus der Landwirtschaft, um deutlich zu machen, was die Leute zu erwarten haben, die sich ihm anschließen. Im ersten Moment werden sich viele wundern und fragen: Wenn Du Leute für dich werben und begeistern willst, Jesus, warum dann mit einem Bild, das so sehr nach Arbeit schmeckt, nach schwerer Arbeit? Das lockt doch keinen hinter dem Ofen hervor!“

Vielleicht hätte Jesus so geantwortet:

„Weißt Du, mein Freund, meine Freundin, du musst immer alles im Blick haben: Was ich vorher und hinterher gesagt habe; vor allem aber auch, was die Alternative ist: das, was du hast, wenn du mir nicht folgst. Fangen wir mit dem an:
Ich sage: ‚Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir.‘ Ich habe das ‚mein‘ etwas betont, denn es ist wichtig. Es ist ja nicht so, dass Menschen wie du sonst kein Joch zu tragen hätten, als ob du ohne Lasten durch’s Leben gehen würdest. Jeder Mensch hat in seinem Leben Lasten wie mit einem Joch zu tragen. In deiner Zeit im Jahr 2015 könnten das sein: Eigensucht und Egoismus, Konkurrenzkampf, Mobbing in unterschiedlichsten Bezügen, Arbeitslosigkeit oder Überarbeitung; für Menschen in anderen Teilen der Welt sind das Krieg und Bürgerkrieg, Hunger oder Krankheiten wie Aids und Ebola; aber auch Unterdrückung in diktatorischen Systemen und Verfolgung um des eigenen Glaubens willen.

Das mag alles sehr pauschal klingen; aber ich bin überzeugt, dass viele Menschen an all diesen Dingen sehr schwer zu tragen haben, dass sie unter der Last solcher Dinge leiden und fast zusammenbrechen. Aussuchen tut sich so etwas niemand freiwillig – natürlich nicht. Solche Lasten, solche Joche werden einem auferlegt.

Ja, es gibt viele, die dir und jedem anderen ein solches Joch auflegen wollen: unsere Gesellschaft, in der man funktionieren muss, um nicht unterzugehen; das Weltwirtschaftssystem, das die arme Südhalbkugel arm bleiben lässt und dem einzelnen Menschen im Norden kaum eine Möglichkeit gibt, das zu ändern; die fanatischen Führer, die – oft genug im religiösen Gewand – meinen, anderen Menschen mit Gewalt ihren Willen aufzwingen zu können. Die entscheidende Frage lautet also: Welches Joch möchtest du tragen, das dir jemand anderes auflegt? Dieses Joch von Gewalt oder jenes Joch der Unterdrückung – oder eben mein Joch, das sanft ist und dessen Last leicht ist? Das ist die Alternative: Unbarmherzige Joche, die du von anderen aufgelegt bekommst, die nur an sich denken, oder das Joch der Barmherzigkeit, das ich dir anbiete.

Und wenn du dich für mein Joch entschieden hast und dich fragst: Wie geht das nun? Dann sage ich: ‚Lernt von mir.‘ Und auch das hatte zu meiner Zeit einen ganz anderen Klang als im Jahr 2015, wo Lernen fast nur als das Aneignen von Fähigkeiten verstanden wird. Vor 2000 Jahren bedeutete Lernen, dass Menschen mit ihrem Lehrmeister lebten und an allem Anteil nahmen, was den Beruf und das Leben insgesamt ausgemacht hat. Von mir, von Jesus lernen, das heißt: mit mir leben. Das Lernen ergibt sich dann wie von selbst.

Wenn Ihr also hier und heute Taufe feiert und in den letzten Wochen Konfirmation, dann steht genau diese Vorstellung dahinter: Dass der Täufling und seine Eltern und Paten, dass die Konfirmandinnen und Konfirmanden versprechen, mit mir zu leben; dass sich die Zusage, die ich bei jeder Taufe gebe – „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ – auf eine viel konkretere Weise verwirklicht als in einem unbestimmten „Ich weiß, dass Jesus halt irgendwie da ist.“ Ich will mit dir leben. Du sollst mit mir leben. Nicht als zusätzliches Joch neben den anderen, sondern ich will, dass sich dein Leben von Grund auf mit meinem verbindet, dass du mein Wesen anziehst, so wie man ein Gewand anzieht, und sich dann entsprechend verhält. Nach dem schönen Sprichwort: „Kleider machen Leute!“

Und dann wirst du feststellen, dass das, was ich von dir erwarte, wirklich sanft und leicht ist; dass du dann aus aller Hektik und allem Stress, die dich und die anderen Menschen im 21. Jahrhundert bestimmen, heraus kommst und frei wirst, dein Leben zu leben und nicht das Leben, was wandere von dir wollen. Deshalb: Komm zu mir, wenn du mühselig und beladen bist, komm zu mir, auch dann, wenn du nicht alles verstehst, was ich von dir will und was ich mit dir vorhabe. Glauben – das Vertrauen in meine Gegenwart und in meine Kraft, die dir hilft dein Joch zu tragen – solcher Glauben entsteht nicht durch Klugheit und Weisheit, sondern durch Nähe, durch das Leben mit mir. Komm zu mir. Ich will dich erquicken, auf eine wunderbare Weise frisch machen.“

Liebe Gemeinde! Vielleicht hätte Jesus heute so auf unsere Fragen nach dem Bild vom Joch geantwortet. Menschen, die mit Jesus Christus leben, werden durch Jesus von ihren Beschwernissen und Lasten befreit. Diese Joche haben keine Macht mehr über uns, so wie ich jetzt dieses Joch wieder von meinen Schultern nehme.

Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber wenn ich unbeschwert und frei bin, dann fange ich wie von selbst an, eine Melodie vor mich hin zu summen und zu singen. So oder ähnlich muss es auch Jesus gegangen sein, als er sich voller Überschwang über sein so wunderbar vertrauenvolles Verhältnis zu seinem himmlischen Vaters gefreut hat. Sein Lobgesang hat damals die Luft erfüllt: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde!“ Möge auch unser Lobgesang immer wieder neu die Luft erfüllen, weil Jesus uns die Lasten des Lebens von den Schultern genommen hat. Amen.

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