Predigt am 3. Advent 2016 (11. Dez.)

Predigt-Icon5Der Predigttext Lukas 3,1-14 (Luther 2017) ist vorher als Schriftlesung vorgetragen worden.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist segne unser Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde am 3. Advent!
Es war im elften Jahr der Bundeskanzlerin Angela Merkel; zu der Zeit, als Barak Obama seine letzten Tage als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika verlebte und Vladimir Putin Präsident Russlands war; zu der Zeit, als Heinrich Bedford-Strom Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland und Annette Kurschus Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen war.

Da trat ein Mensch auf und predigte gegen eine Advents- und Weihnachtszeit, die sich immer mehr vom ursprünglichen Sinn des Festes entfernt hatte, weil sie nur noch aus noch mehr Kaufen, aus noch mehr Lebkuchen und aus noch größeren Autoschlangen vor den Parkhäusern bestand.

Woher dieser Mensch gekommen war, wusste niemand so richtig. Er ging auch nicht in die hell ausgeleuchteten Innenstädte, sondern blieb draußen vor der Tür – gewissermaßen vor der Tür des weihnachtlichen Konsumtempels. Manchmal konnte man ihn auf Kanzlers Weide sehen, manchmal unter den Autobahnbrücken zwischen Holtrup und Vennebeck; manchmal auf den Möllberger Wiesen am alten Kraftwerk.

Und was die Geschäftsbesitzer in den Innenstädten von Minden und Bad Oeynhausen und im Großkaufzentrum Werrepark am meisten erstaunte, war, dass viele Menschen zu ihm hinaus gingen, statt bei ihnen einzukaufen. Hatte doch der Besuch des Weihnachtsmarktes mit Glühwein für die Erwachsenen und Karussells für die Kinder die Menschen auch zum Bummeln und vor allem zum Kaufen animiert – trotz der Konkurrenz aus dem Internetversand.

Warum gingen die Menschen zu ihm? Was hatte er diesen Menschen zu sagen? Alles redete doch davon, dass die Menschen ihre christlichen Traditionen hinter sich gelassen hätten. Auch die traditionelle Spendenfreudigkeit zu Weihnachten sei nicht mehr so da, wie früher. Das läge aber nicht daran, dass das Geld fehlte, sondern weil viele Menschen dieses Geld eben lieber für eigene Dinge ausgeben wollten.

Wie jedes Jahr hatten die Manager auf höhere Ergebnisse im Weihnachtsgeschäft gehofft und wären wohl, wie meistens, auch zufrieden gewesen, denn was sie vor Weihnachten nicht loswurden, konnten sie dann beim Nachweihnachtsgeschäft auch noch mit Gewinn unter die Leute bringen: Wenn die Gutscheine eingelöst oder die Geschenke umgetauscht wurden, weil sie eben doch nicht so gut gefallen hatten und die Umtauschenden und Einlösenden noch ein paar Euro drauflegten.

Was also wollten diese Leute da draußen im kalten, dunklen und unfreundlichen Land, wo doch in den Städten alles so schön erleuchtet war: ‚All über all auf den Häuserspitzen sah ich goldene und bunte Lichter blitzen und süße Musik rieselt wie der Schnee in die Ohren, während ein großer roter LKW durch die Landschaft fährt und alles in seliges Weihnachtslicht taucht!‘

Nicht nur die Geschäftsbesitzer, sondern ganz viele Menschen waren erstaunt, dass diesem Prediger die Leute zuhörten, denn dieser Mensch war nicht gerade freundlich mit seinen Zuhörerinnen und Zuhörern. Er sprach sie nicht mit ‚Liebe Leute‘ an oder versuchte auch nicht auf andere Weise, den Menschen Honig um den Bart zu schmieren: Wie toll sie doch wären und dass alles gut liefe. Er beschimpfte sie geradezu – und er forderte etwas von seinen Zuhörern, so hörte man jedenfalls. Er forderte: Sie sollten ihr Leben ändern, sie sollten von ihren liebgewordenen Gewohnheiten Abschied nehmen, damit sie leben, überleben könnten. Und trotzdem gingen Menschen zu ihm. Hatten diese doch ein Gespür dafür, was in dieser Zeit wichtig war und dran sein würde? Hatte ihnen das letzte Jahr mit den vielen Flüchtlingen zu denken gegeben und ihr Gewissen geschärft? Nicht weil es so viele Flüchtlinge waren, sondern weil die Menschen hier erkannt hatten, dass hier geholfen und dort vor allen die Ursachen der Flucht angegangen werden mussten?

Viele machten sich allerdings auch auf den Weg zu ihm, die nur durch ihre Neugier angelockt wurden: Diesen Typen musste man eben einmal gesehen haben. Und wenn die dann da waren, sah sie der Prediger lange und sehr nachdenklich an und fragte sie dann: „Meint ihr, dass euch nichts passieren kann? Ihr tragt stolz die Zeichen eurer Sicherheit mit euch: den Arbeitsvertrag mit der unkündbaren Stellung, den Pass mit der deutschen Staatsangehörigkeit, eure weiße Hautfarbe. Ihr kommt in der Kleidung mit den großen Markennamen, um zu zeigen, dass ihr dazugehört. Glaubt ihr, dass euch diese Sicherheiten wirklich nützen und euch schützen? Glaubt ihr, nur weil ihr in Nord-Europa geboren seid oder lebt, kann Euch das Elend nicht treffen?“

Immer wieder war dann diese eine Frage aus der Menge heraus zu hören: „Können wir denn etwas tun? Ich alleine zähle doch nicht!“ Und zum Erstaunen der Meisten war die erste Antwort immer: „Täuscht euch nicht. Ihr könnt etwas tun! Seht euch um und seht euren Reichtum, ja den Überfluss, in dem ihr lebt. Seht euch um und nehmt die Bedürftigen um euch herum und unter euch wahr, die es in so großer Zahl gibt: die Vergessenen, die am Rand der Gesellschaft leben – ja, auch in Ostwestfalen, wo die Weser ihren großen Bogen macht; nehmt sie wahr und teilt. Haben ist nicht schlimm. Für sich allein behalten – das ist schlimm. Kehrt um von eurem Weg, von dem Weg der heißt: ‚Ich will immer mehr für mich haben. Es kann doch jeder für sich selber sorgen.‘“

Es kamen zum Beispiel die, denen alles zufällt; es kamen auch die, die vor lauter Ehrgeiz so selten Zuhause sind. Auch diese traten zu dem Prediger und fragten: „Prediger, was sollen denn wir tun?“ Und dieser antwortete und sprach: „Bedenkt eure Verantwortung für eure Familien, für eure Ehepartnerinnen, eure Ehepartner und für eure Kinder. Nehmt euch Zeit für sie und kümmert euch um ihre Probleme, damit sie nicht irgendwann einmal sagen müssen: Was will der da von uns, er oder sie ist doch auch nie für uns da gewesen? Und bedenkt Eure alte Nachbarin und den Witwer mit den drei Kindern vier Häuser weiter.“

Schließlich kamen auch die Mächtigen und erhielten Antwort auf ihre Frage, „Was sollen wir tun?“: „Seht zu, dass ihr eure Stellung nicht für euren eigenen Vorteil missbraucht, sondern dass ihr allen Menschen und dem Wohl der Gemeinschaft dient. Lasst Arme nicht immer ärmer und Reihe immer reicher werden. Lernt aus der Vergangenheit, wohin rechtsradikale und andere fundamentalistische Gedanken führen, und behaltet für die Gegenwart die Zukunft im Auge – die eurer Kinder. Habt Mut, Entscheidungen zu treffen – aber nicht ohne Konzept.“

Das Wichtigste aber sagte er allen gleichermaßen und immer wieder, wenn er eine seiner Predigten hielt: „Macht euch auf in eine neue Richtung. Kehrt um! Macht euch zum Stall auf, so wie es in dem Weihnachtslied heißt, das Jochen Klepper gedichtet hat: ‚Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf! Ihr sollt das Heil dort finden, das aller Zeiten Lauf von Anfang an verkündet, seit eure Schuld geschah. Nun hat sich euch verbündet, den Gott selbst ausersah‘.“

„Ich selber“, fuhr der Prediger meistens fort, „kann euch nur die kleinen Anweisungen geben, die sich im alltäglichen Leben auch verwirklichen lassen. Ich kann euch segnen für eure Umkehr, kann euch so darin bestärken. Aber um euch wirklich zu befreien, dazu braucht es einen anderen: den einen, der Schuld wirklich wegnimmt; den einen, der euch zu Gottes Kindern macht. Und dieser eine ist schon da. Er ist gekommen, er wird kommen, er ist da. Ihm will ich den Weg bereiten, dass ihr euch auf sein Kommen einstellt. Räumt die Berge von Geschenken zur Seite, schaltet die elektrischen Lichter aus, damit ihr die Sterne, damit ihr den einen Stern sehen könnt, der euch den Weg weist: hin zu dem kleinen Stall, hin zu dem armen Kind in der Krippe, das kurz nach seiner Geburt selbst zum Flüchtling wird.
Und dann, wenn ihr ihn gefunden habt, dann freut euch, freut euch daran, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind. Freut euch auf dieses Kind, wie Eltern sich auf ihr lang erwartetes Kind freuen, weil sie die Gewissheit des Lebens spüren. Freut euch auf dieses Kind, das für euch da ist, bis die Welt an ihr Ziel gelangt ist. Ihr tragt den Namen dieses Kindes, ihr seid auf diesen Namen getauft, lasst heute euer Kind auf diesen Namen taufen.
Dabei passt auf, dass ihr den Kontakt zu ihm nicht verliert. Das Kind in der Krippe sucht Euch zwar immer wieder neu, aber wie soll Zugang finden, wenn Euer Herz mit dem Schloss der Gleichgültigkeit verschlossen ist? Passt auf, dass ihr eure Aufgabe an euren Kindern und Kindeskindern nicht versäumt, die ihr bei deren Taufe übernommen habt, erfüllt das Versprechen, das ihr damals gegeben habt: ihnen einen Zugang zum Glauben zu ermöglichen; das passiert nicht von allein.
Erweist euch gegenseitig Liebe, das können auch Geschenke sein, aber sie sind nicht die Hauptsache. Erweist euch Liebe um der anderen willen, nicht um euretwillen. Denn ihr seid ja schon geliebt, weil Gott in seiner bedingungslosen Liebe ‚JA‘ zu euch sagt. So werdet ihr merken, dass eure Umkehr leicht wird, weil sie etwas Freudiges ist. Ihr werdet merken, dass eure Buße nicht grau wie Asche macht, sondern bunt wie ein Regenbogen.
Was euch beschwert, braucht im Angesicht dieses Kindes nicht mehr zu erdrücken; was gewesen ist, braucht im Angesicht dieses Kindes nicht mehr zu erschrecken. Denn in diesem Kind ist das Heil Gottes, ist die Rettung für alle Menschen erschienen.“

Die Menschen kehrten zurück: in ihre Stadt und in ihr Dorf, in ihre Straße und an ihre Arbeit, zurück in ihre Familien. Und in den Gesichtern der anderen, die ihnen entgegen kamen, ob sie sie kannten oder nicht – entdeckten sie das Bild dieses Kindes.
Amen.

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