Predigt am Pfingst-Montag 2017

Predigt-Icon5Liebe Gemeinde am Pfingst-Montag!
Wenn gefragt wird: „Wieviel Uhr ist es?“ und die Antwort „Viertel elf“ heißt, dann werden sich ostwestfälische Ohren erst einmal schütteln und nachfragen: „Wie bitte?“ Dabei ist es in anderen Gegenden in Deutschland eine ganz normale Antwort, um zu sagen: „Es ist viertel … na? Genau, viertel nach 10“. Denn das erste Viertel der Stunde, bis es 11 Uhr wird, ist um; viertel elf; dann kommt halb elf, dann dreiviertel elf und schließlich elf Uhr.

So ist das mit der deutschen Sprache. Und das hat noch nicht einmal etwas mit Dialekt zu tun. In anderen Gegenden gibt es für manches jeweils andere Bezeichnungen. Und wie besonders Ostwestfälisch als Sprache ist, brauche ich denen nicht zu erzählen, die einmal Harald Mewes mit seinem Programm erlebt haben.

Eine schöne Szene habe auch ich einmal erlebt, als ich mit einigen anderen an der Erarbeitung eines Textes gesessen habe und einer aus der Runde, ein Österreicher, plötzlich fragte, was wir denn mit einem bestimmten Begriff meinten. Und wir stellten im folgenden Gespräch fest, dass der Inhalt des Begriffes in Deutschland ein ganz anderer als in Österreich war. Unser österreichischer Freund seufzte und meinte ironisch-resigniert: „Das, was uns als Deutsche und Österreicher zu allererst trennt, das ist die gemeinsame Sprache.“

Es ist offensichtlich: So sehr Sprache verbindet, so sehr kann sie auch trennen. Die Erzählung vom Turmbau zu Babel ist das ganz herausragende Beispiel dafür. Die größten Menschheitsziele scheitern ganz oft ebenso wie die kleinen zwischenmenschlichen Projekte daran, dass sich die Menschen nicht mehr verstehen: dass sie nicht mehr die gleiche Sprache sprechen – im konkreten, aber auch im übertragenen Sinn.

Menschen reden aneinander vorbei, zum Beispiel, weil der eine auf der Sachebene etwas sagt und der andere darin eine Aussage auf der Beziehungsebene hört; oder weil der eine mit seiner Aussage etwas über sich erzählen möchte und der andere diesen mitschwingenden Ton nicht hört und nur exakt eine sachliche Antwort gibt. Die Kölner Acapella-Gruppe Wise Guys hat dieses Problem, das so oft besonders zwischen Männern und Frauen ein Thema ist, in vielen Songtexten verarbeitet.

So also scheitern kleine und große Projekte: kleine wie eine Partnerschaft und große wie der Turmbau zu Babel: Sie scheitern, weil die einen die Sprache der anderen nicht verstehen. Sie scheitern aber auch an mangelnder Kommunikation: weil die einen denken, die anderen wüssten schon oder noch, was wichtig ist; oder sie scheitern an unausgesprochenen Erwartungen an diejenigen, die ebenfalls mitarbeiten.

Und wie gelingen Projekte? Ich will es zunächst an einem weltlichen Beispiel deutlich machen: Nehmen wir deutsche Bundesligamannschaften im Fußball. Da sind heutzutage Spieler aus ganz verschiedenen Nationen mit dabei, die oft genug bei den Interviews einen Dolmetscher brauchen, weil sie Deutsch nicht oder noch nicht sprechen. Auch Trainer sprechen oft genug kein oder kaum Deutsch. Und trotzdem haben Mannschaften Erfolg, in denen das mit der Verständigung auf den ersten Blick geradezu unmöglich erscheint. Woran liegt das? Es liegt daran, dass der Geist in der Mannschaft stimmt. Dafür muss vor allem der Trainer sorgen. Fußball spielen, das können die alle. Es ist das große Geheimnis der internationalen Fußball-Mannschaften: Der Geist der Mannschaft stimmt.

Und damit ist das Zauberwort gefallen, das auch für den, wenn man es so nennen will, Erfolg der christlichen Kirche steht. Die Strahlkraft des Glaubens, die Anziehungskraft der Gemeinden, das Miteinander in der Kirche, das zu einer Stütze des eigenen, persönlichen Glaubens führt – alles das entsteht, wenn der Geist in der Kirche stimmt. Und dieser Geist ist im christlichen Glauben dann doch etwas ganz anders als der Geist, der in einer Fußball-, in einer Handball- oder in einer Basketball-Mannschaft herrscht. Bei den Sportmannschaften könnte man ja auch wie bei einer Partnerschaft sagen, dass die Chemie zwischen den Beteiligten stimmt.

Mit dem Geist in der Kirche ist das etwas ganz anderes. Denn dieser Geist ist nicht nur die Befähigung zu diesem oder jenem, was Menschen mit christlichem Glauben oder Kirche verbinden: Beten oder diakonisch handeln, Ämter ausüben oder Predigen, ja sogar gesund machen oder Wunder tun – das können andere auch, das ist nicht das Kennzeichen einer christlichen Gemeinde oder – etwas größer gedacht – der christlichen Kirche.

Bei allen Unterschieden in den einzelnen Dingen der Gemeindearbeit, in den Formen, Gottesdiensten zu feiern, in den Möglichkeiten, Kirchengebäude zu bauen und Kirche zu organisieren, bei allen Meinungen über dieses oder jenes Thema, bei allen Frömmigkeitsformen, die das Christentum im Lauf von fast 2000 Jahren hervorgebracht hat: Das, was die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche in ihrem Innersten zusammen hält, das ist dieser eine Heilige Geist.

Davon hat der Apostel Paulus der Gemeinde in Korinth geschrieben, um die verschiedenen Strömungen in dieser Gemeinde zusammen halten zu können – wir haben es als zweite Schriftlesung gehört.
Es ist der Heilige Geist, der die christliche Kirche zur Kirche macht, zur Ekklesia, wie es auf Griechisch heißt: zu denen, die von Jesus aus der Welt zu dieser Gemeinschaft herausgerufen werden. Ekklesia – das sind die, die aus ihren Häusern herausgerufen sind, um zur Versammlung der Getauften zusammen zu kommen.

Es ist der Heilige Geist, der die christliche Kirche zur Kirche macht. Und woran erkennt man das? Wie merken wir denn, dass es wirklich der Heilige Geist ist, der uns antreibt und nicht irgend ein anderer Geist. Auch dazu hat Paulus eine sehr genaue Meinung: Zunächst stellt er fest, dass alle in der Gemeinde und damit alle in der Kirche eine Gabe, also eine Begabung haben. Paulus schreibt: „Durch einen jeden offenbart sich der Geist.“ Jede und jeder hat also mindestens eine Gabe. Bei manchen muss man diese Begabung erst einmal suchen, weil diejenigen sie vielleicht selber noch gar nicht entdeckt haben, oder, weil sie schüchtern sind und sich nicht trauen, ihre Gabe einzubringen, oder weil sie ein bisschen träge oder sogar faul sind und lieber auf dem Sofa bleiben wollen. Andere haben vielleicht sogar mehrere Begabungen und das sind dann die, die sich in vielen Bereichen der Gemeinde tummeln. Aber: jede und jeder hat mindestens eine Begabung, die er oder sie vom Heiligen Geist bekommen hat. Wie schön, wenn sie entdeckt und dann auch angewandt werden. Und wie viel fehlt in der Gemeinde, wenn Gaben auf dem Sofa brach liegen.

Aber das nur nebenbei. Es ging ja um die Frage, woran man erkennt, dass es auch der richtige Geist ist, der einen da antreibt. Ehrlich gesagt: Es ist nicht so einfach, das zu sagen; denn es gibt kein Messgerät und keine Art von Fieberthermometer, mit denen man messen könnte, ob das nun der Heilige Geist oder so etwas wie ein Gespenst bei Ghost-Busters ist. Es ist vielmehr ein Kriterium, das sich an dem Ganzen der Kirche orientiert. Paulus schreibt: „Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller.“

„Zum Nutzen aller.“ Darauf kommt es Paulus an. Und wir alle ahnen, dass das nicht immer so ganz einfach ist. Nur eines ist wahrscheinlich eindeutig: Wenn jemand unter dem Deckmantel der Gemeinde nur in seine eigene Tasche wirtschaftet, dann läuft irgendetwas schief.

„Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller.“ Vielleicht werden wir in unserer Menschlichkeit dieses „für alle“ nie wirklich erfüllen können. Aber unser Augenmerk, unsere Motivation für alles in der Gemeinde muss immer sein, diesem „zum Nutzen aller“ so nahe wie möglich zu kommen. Dann dürfen wir wohl auch getrost darauf vertrauen, dass der Heilige Geist von sich aus das ausgleicht, was noch fehlt.

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes, der die Jünger und damit auch uns über alle Sprachprobleme hinweg begeistert und sie so mit den Gaben und Fähigkeiten ausstattet, die die Kirche braucht, um ihren Auftrag zu erfüllen: die Liebe Gottes zu den Menschen zu bringen und so dem Leben zu dienen und Gott zu ehren. Und eine solche Kirche wünsche ich mir am Geburtstag der Kirche auch für unsere Gemeinde. Amen.

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