Predigt am Pfingstsonntag 2020

Liebe Gemeinde!
Wir feiern Geburtstag – es geht hier in diesem Gottesdienst aber nicht um diejenigen aus unserer Gemeinde oder aus unserer Familie, die Geburtstag haben. Es geht um eine Institution, die uns allen ganz wichtig ist, ohne die wir heute hier nicht sitzen würden. Denn sie ist es, die uns verbindet. Natürlich geht es um die Kirche – aber nicht als Gebäude und nicht als Gottesdienst, auch nicht als diese oder jene Landeskirche oder die römisch-katholische Kirche. Es geht um die eine universale Kirche als Zusammenschluss aller, die im Glauben an Jesus Christus verbunden sind.

Die hat heute Geburtstag. Denn wir erinnern uns heute daran, wie es mit der Kirche angefangen hat. Und das ist ein ganz konkreter Tag gewesen – damals in Jerusalem, als der Heilige Geist über die Jünger gekommen ist, diese angefangen haben zu predigen. So haben sich durch diesen Heiligen Geist in der Predigt die ersten Menschen taufen lassen und wurden so in die Urgemeinde, also die Keimzelle der weltweiten Kirche aufgenommen.

Bis dahin waren die Menschen durch Jesus direkt in den Kreis der Jüngerinnen und Jünger berufen worden. Petrus und Andreas, Johannes und Jakobus und wie sie alle hießen, sind ja nicht getauft worden. Denen hat Jesus gesagt: Kommt mit, folgt mir und ihr werdet das Leben finden. Diese Form der Berufung war dann mit dem Tod Jesu und nach seiner Auferstehung mit der Himmelfahrt endgültig zuende. Jetzt musste es anders gehen, wenn aus dieser kleinen Gruppe von Fischern und ehemaligen Zöllnern etwas werden sollte – eben so etwas wie eine weltumspannende Glaubensgemeinschaft, die wir heute Kirche nennen. Und: Es ging nun auch ganz anders.

Mit dem Pfingstfest und der Geistbegabung der Jünger tritt eine neue Regelung in den Mittelpunkt: dafür, wie Menschen in diese so besondere Gemeinschaft hineinkommen. In der Kirche wird die Taufe das eindeutige und geheiligte Zeichen für die Zugehörigkeit zu den Jesusleuten. Die Taufe wird – so wie es sich dann bei uns in der evangelischen Kirche entwickeln wird – das eine von den zwei Sakramenten. Mit der Taufe werden Menschen in diese Gemeinschaft aufgenommen und das Abendmahl ist das den inneren Zusammenhalt festigende Zeichen. Und so könnte man sogar sagen, dass es mit dem Pfingstfest ein doppelter Geburtstag ist: Geburtstag der Kirche und Geburtstag der Taufe als Sakrament.

Die Kirche – also die Gemeinschaft der Jesusleute, die Gemeinschaft der Getauften – ist eine ganz besondere Gruppe, denn sie alle sind durch die Gabe des Heiligen Geistes miteinander verbunden, mit dem Gott alle ausstattet, die in seinem Namen und unter seinem Segen ihr Leben gestalten sollen: Gott von ganzem Herzen zu lieben und den Nächsten – ganz gleich wer das ist – wie sich selbst. Und nachher wird in einem Taufgottesdienst dieser besonderen Gemeinschaft ein weiteres Teil hinzugefügt.

Ja, es ist schon eine ganz besondere Gemeinschaft, die da durch Pfingsten und die Taufe zusammengebracht wird. Wenn wir uns heute und hier umsehen, stellen wir fest: Wir hier sind schon ziemlich verschiedene Leute und gehören dazu. Und viele, viele andere gehören auch noch mit dazu. Warum das so ist und wie das alles zusammenhängt, dazu sehen wir uns noch einmal an, wer denn alles gleich am Anfang mit dabei war.

Es ist ja einer der schwierigsten zu lesenden Texte im Kirchenjahr, wenn die ganzen Volksgruppen aufgezählt werden, die in dem Schmelztiegel Jerusalem damals zusammen waren. Woher kamen die Leute denn, die sich da über das Geistgeschehen am Pfingsttag wundern? In aller Kürze: die Parther waren ein Volk, das im heutigen östlichen Teil des Iran lebte, also fast schon in Afghanistan; die Meder lebten im Nordwesten des Iran und die Elamiter im Südosten. Die Leute aus Mesopotamien lebten im heutigen Irak an Euphrat und Tigris. Judäa war die Heimat der Menschen rund um Jerusalem. Mit den nächsten fünf Namen sind wir in der heutigen Türkei: Kappadozien im Osten, Pontus am Schwarzen Meer im Norden. Die römische Provinz Asia ist der westliche Küstenbereich der Türkei, Phrygien ist die westliche Mitte und Pamphylien die Südküste. Ägypten ist bestimmt bekannt; die Gegend von Kyrene in Libyen liegt weiter westlich; und auch Rom darf ich bestimmt als bekannt voraussetzen. Kreter und Araber sind wohl als Sammelbezeichnung für Bewohner der griechischen Inseln und der arabischen Halbinsel zu sehen. Eines ist Lukas für in seinem Bericht wichtig: Es sind alles Juden und Menschen, die dabei sind, zum jüdischen Glauben zu wechseln. Die Heidenmission kommt erst später.

Aber kurz gesagt – sie kommen aus der ganzen damals bekannten Welt; sie sprechen die unterschiedlichsten Sprachen, gehören den unterschiedlichsten Völkern an und was ihre Hautfarbe betrifft, reicht es von ganz hellhäutig bis tief dunkel. Und aus diesem bunten Haufen von Menschen werden am ersten Tag auf die Predigt des Petrus hin 3000 in die Gemeinde aufgenommen.

Es wird also ganz schnell deutlich: Die christliche Urgemeinde war keine einheitliche Gruppe. Das war richtig Multikulti – verbunden im Heiligen Geist. Und es hat funktioniert. Sonst wären wir heute nicht hier. Christliche Gemeinde war schon immer und ist immer noch bis heute einfach bunt und vielfältig. Sicherlich auch mit Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Miteinander. Es waren und sind eben Menschen, die auch mal Fehler machen.

Genau – bis heute: Wir hier sind schon ziemlich verschiedene Leute und gehören dazu. Und viele, viele andere gehören heute auch noch mit dazu. Manche hier bei uns sind in ihrem Christsein aktiv und sichtbar, andere wirken eher im Verborgenen, wieder andere wissen allerdings mit der Gabe des Heiligen Geistes in der Taufe in ihrem Leben nicht so recht etwas anzufangen, fühlen sich distanziert – und treten dann leider auch aus der Kirche aus. Ich wünsche mir sehr, dass wir als Gemeinde vor Ort und als Kirche weltweit diese Menschen erreichen, dass die Kraft des Heiligen Geistes, die Jesus seinen Leuten verheißt, in diesen Menschen wieder wirksam wird – vielleicht auch durch uns vermittelt.

Ich denke aber auch an viele andere, die heute zu dieser so besonderen Gruppe der Getauften, zur Kirche dazu gehören und die uns die wunderbare Vielfalt von Menschen zeigen: Ich denke an Christen in allen Teilen der Welt; zuallererst natürlich an die Geschwister in unserem Partnerkirchenkreis Tambarare, an die Geschwister in unserer Partnergemeinde in Evansville in den USA. An die vielen, vielen anderen, die wir gar nicht so genau kennen und die wir in vielen Dingen oft auch gar nicht so gut verstehen, weil sie so ganz anders ihren christlichen Glauben leben. Aber: Wir sind durch den Heiligen Geist ein Teil dieses unglaublichen Schmelztiegels von Kirche. Und das ist gut so. Amen.

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