Euch allen in der Ferne und in der Nähe ein gutes und gesegnetes Jahr 2022!

Am 28. Dezember 2021 wurde in Porta Westfalica-Costedt eine Gedenkplakette der Öffentlichkeit übergeben, die an die Mitglieder der Familie Seelig erinnert, die im Dezember 1941, also vor 80 Jahren, aus Costedt in Richtung Riga deportiert wurden. Siehe dazu auch den Artikel im Mindener Tageblatt (MT+-Artikel). Als Vertreter der Kirchengemeinde war ich gebeten bei diesem Anlass zu sprechen. Hier meine Ansprache:
Sehr geehrte Damen und Herren!
„Wenn dein Kind dich morgen fragt …“ – so heißt es im 5. Buch Mose, im Deuteronomium, im 6. Kapitel. Das Volk Israel hatte von Gott die Gebote bekommen, um nach der Befreiung aus einem Leben in Knechtschaft nun anhand dieser Gebote ein Leben in Freiheit und Gerechtigkeit führen zu können. Der Sinn dieser Gebote erschließt sich für die Gegenwart – und noch wichtiger: für die Zukunft – der Sinn dieser Gebote erschließt sich nur aus dem Wissen um die Vergangenheit. Und es gilt, sich dieses Zusammenhanges schon heute bewusst zu sein, um morgen auf die Frage danach eine Antwort geben zu können.
„Wenn dein Kind dich morgen fragt …“ Heute bedenken, was morgen eine Frage sein könnte – seit dieser Vers im Jahr 2005 die Losung des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Hannover gewesen ist, beschäftigt mich dieser Zusammenhang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und der Verantwortung, die den Menschen im Heute zukommt, in besonderer Weise: Die Frage nach den Entscheidungen heute für die Zukunft entscheidet sich am Wissen und am Umgang mit der Vergangenheit; zu wissen, warum ich bin, wie ich bin; woher meine Überzeugungen kommen und mein Engagement kommt.
„Wenn dein Kind dich morgen fragt …“ Wir sind heute hier, um daran zu erinnern, dass eine Familie aus unserer Stadt im Dezember 1941 abgeholt wurde, um deportiert zu werden – in Richtung Riga: Die Familie Seelig hat hier in dieser Stadt, die damals ja noch keine Stadt war, sondern aus einzelnen selbständigen Dörfern bestand, gewohnt. Und war dann nicht mehr da. Wohl von einem Tag auf den anderen; wie so viele andere Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Herkunft, die in den Dörfern unserer Stadt gelebt haben.
Warum erinnern wir uns? Warum verlegen wir Stolpersteine oder gestalten Gedenktafeln, die wir wie hier und heute aufstellen? Wir wollen damit eine Antwort auf die Frage geben, die junge Menschen – wie unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden – irgendwann stellen: Wie steht ihr als unsere Eltern und Großeltern zu dem, was das Leben Eurer Großeltern geprägt hat? Und vor allem: Habt Ihr daraus etwas gelernt, damit der Weg in die Zukunft gelingen kann?
Es geht heute ja nicht darum, einen emotionalen Augenblick zu erleben, angesichts des schrecklichen Schicksals, das diese Familie erleben musste. Wollten wir mit dieser Veranstaltung auf einer reinen Gefühlsebene bleiben, bleiben wir im Erschrecken über das, was Menschen anderen Menschen antun können, stecken.
Ich bin auch der festen Überzeugung, dass es sich bei solchen Aktionen wie heute nicht um einen Schuldkult handelt, wie das von manchen deutlich rechtsgerichteten Menschen unserer Tage gerne formuliert wird. Es geht hier und heute um die Würde von Menschen und um die Zukunft, die aus dem Wissen um das damals Geschehene erwachsen kann.
Es geht darum, den Mitgliedern der Familie Seelig mit unserem Gedenken die Achtung zu erweisen, die ihnen als Menschen gebührt und die ihnen und so vielen, vielen anderen in so grausamer Weise in der Zeit vor 80 Jahren vorenthalten wurde.
Es geht dann aber auch darum, dass dieses Erinnern nicht folgenlos und fruchtlos bleibt. In den letzten Jahren hat das Nachdenken über die sogenannten „Kriegsenkel“ einen weiten Raum in der öffentlichen Diskussion eingenommen: Menschen mussten als Enkelinnen und Enkel derer, die den Krieg ganz bewusst miterlebt haben, feststellen, dass sie auf eine ganz eigene Art und Weise mit dem Geschehen des 2. Weltkrieges und der Zeit des Nationalsozialismus verbunden waren: Miterlebt hatten sie den Krieg nicht, waren sie doch erst Jahre später geboren; aber trotzdem waren sie auf das Engste damit verbunden.
Die Bibel rechnet damit, dass die Folgen von negativen Ereignissen und schuldhaften Taten über drei bis vier Generationen zu spüren sind und Wirkungen haben. Die nachfolgenden Generationen werden nicht auf das Tun oder das Unterlassen der Vorangegangenen festgelegt, und damit auch nicht auf deren Schuld. Aber sie müssen mit den Folgen dieser Taten und der Schuld umgehen. Das hat die Generation der Kriegsenkel feststellen müssen.
Es ist so unendlich wichtig, das alles nicht unter einer Falltür des geschichtlichen Vergessens verschwinden zu lassen. Denn nur der bewusste und damit verantwortliche Umgang mit dem Geschehen von damals hilft, darüber hinaus zu kommen: aber nicht als Abschluss, nach dem das Geschehen von damals für heute oder für die Zukunft nicht mehr wichtig wäre; sondern als Impuls für einen erfolgreichen und guten, weil menschenfreundlichen Weg in die Zukunft.
Eine Vergleichsmöglichkeit bietet vielleicht das Weihnachtsfest, das wir in diesen Tagen feiern: Wir feiern ja nicht Weihnachten, nur weil vor 2000 Jahren ein – wenn auch besonderes – Kind geboren wurde: Weihnachten ist nicht „es war einmal“, es ist auch nicht die Wiederkehr des Ewiggleichen mit „the same procedure as every year“. Weihnachten ist eine in die Zukunft hin offene Geschichte. Nachdem wir uns das Jahr über in so vielem festgefahren haben und in so vielem stecken geblieben sind, ermöglicht das Weihnachtsfest, das wir in diesem Jahr feiern, einen Weg „Zurück in die Zukunft“, indem Jesus als Kind in der Krippe in uns geboren wird!
In diesem Sinn eröffnet auch das Erinnern an die Familie Seelig für uns den Weg in die Zukunft: Denn auch heute stehen wir als Gesellschaft und als Kirche, als Stadt Porta Westfalica und als Kirchengemeinde Holzhausen und Holtrup an der Porta vor der Herausforderung, die Würde von Menschen zu wahren und zu schützen.
Wir sind heute hier, um daran zu erinnern, dass eine Familie aus unserer Stadt im Dezember 1941 abgeholt wurde, um deportiert zu werden – in Richtung Riga: Die Familie Seelig hat hier gewohnt. Aber wir sind nicht nur heute hier, um dies ein Mal zu tun: Das Erinnern bleibt eine immerwährende Aufgabe, weil der Weg in die Zukunft eine immerwährende Aufgabe ist.
Vielen Dank!
Pfarrerin Petra Reitz (Leitende Militärdekanin West) schreibt dazu:
Die Corona-Krise ist noch nicht zu Ende. Sie dauert … und der Ausnahmezustand hält an.
Allmählich sind viele Menschen recht dünnhäutig oder frustriert, der Alltag ist für die Familien anstrengend und macht die Alleinlebenden einsam.
Aber als Christinnen und Christen glauben wir, dass es über all‘ diese Dunkelheit hinaus gehen kann!
Die Passionszeit dauert an … mit ihrer ganz eigenen Karwoche, in der jede und jeder persönliche Kreuzerfahrungen (Karfreitag) und Momente vorweggenommener Grabesstille (Karsamstag, der Tag der Grabesruhe) macht.
All‘ das wäre unendlich bedrückend, wäre nicht das Fest der Auferstehung an Ostern!
Deshalb wollen wir Sie auch in dieser Kirchenjahres-Zeit nicht allein lassen, sondern bieten Ihnen an, sich von der Evangelischen Militärseelsorge auf Ihrem Weg durch die Dunkelheit zum Licht der Auferstehung begleiten zu lassen.
Unser Motto lautet diesmal:
W
O
K R E U Z
T
Rätsel?
Täglich können Sie auf der Internet-Seite der Evangelischen Militärseelsorge:
Evangelische Militärseelsorge (bundeswehr.de)
unseren Impuls abrufen:
www.bundeswehr.de/de/betreuung-fuersorge/militaerseelsorge/evangelische-militaerseelsorge/ostern-findet-statt/fastenkalender-der-militaerseelsorge-5030236
Der Weg nach Jerusalem beginnt am Aschermittwoch (17.02.) und läuft über die Sonntag, an denen jeweils eine Video-Andacht eingestellt sein wird, auf das Osterfest zu.
48 Tage lang können Sie einen Impuls abrufen (Bild u. kurzer Text), eine Rätselfrage beantworten, die Sie zum nächsten Tag leitet (und dort dann aufgelöst wird).
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) unterstützt eine Aktion von Bundespräsident Walter Steinmeier:
Wir denken an die Coronaopfer und ihre Angehörigen. Machen auch Sie ihr Fenster zum Lichtfenster. Jeden Freitag bei Einbruch der Dunkelheit.
Barmherziger Gott,
„Licht ist das Kleid, das du anhast (Ps 104, 2)
Deswegen zünde ich eine Kerze an
und stelle sie ins Fenster, um allen jenen zu leuchten,
die unter der Pandemie leiden, die besorgt sind und Angst haben,
die erschöpft sind von all der Hilfe, die sie geben wollen,
die verzweifelt sind wegen all der Überforderung und dem Streit, die sie erzwingt.
„Der HERR, mein Gott, macht meine Finsternis licht.“ (Ps 18,29)
Ich bitte für alle, die allein sind und einsam,
die nicht besucht werden dürfen, die ohne Trost und Begleitung bleiben,
segne sie mit Deiner Gegenwart und mache alle,
die pflegen und versorgen, zu Engeln Deines Lichtes.
„Jesus Christus spricht: ich bin das Licht der Welt …“ (Joh 8,12)
Ich bete für alle Menschen, die an Corona erkrankt sind
und um ihr Leben kämpfen,
schenke Ihnen Licht und Luft, Kraft und Mut,
dass sie zurückfinden in ihr Leben.
„Denn bei Dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht“ (Ps 36, 10)
Auch bitte ich für alle Menschen,
die an Corona gestorben sind, hier und überall auf der Welt,
nimm sie auf in dein Reich und schenke Ihnen ein Licht, das ihre Seele wärmt,
und tröste alle, die weinen müssen um ihre Toten.
Gott, ich bitte dich aber auch für mich selbst und meinen Partner,
für meine Kinder und Enkel, für meine Familie und meine Freunde,
und für meine Feinde auch.
Segne und behüte sie und uns alle, dass wir Zuversicht und Hoffnung behalten
in diesen dunklen Zeiten.
Amen.
Das Gebet gibt es auch als Download:
GEBETSZETTEL AKTION #LICHTFENSTER (PDF: 90,56 KB)